„Manchmal erkennt man den Wert eines Augenblicks erst, wenn er eine Erinnerung geworden ist.“
unbekannt
Bella Sicilia – für Roland Neuland, für mich eine Erinnerung an eine der beeindruckendsten Reisen in meiner Jugend mit meinen Eltern zusammen. Mit unserem Citroen Visa fuhren wir damals von Berlin aus durch die Toskana bis nach Sizilien. Dort trafen wir auf die anderen Teilnehmer unseres Italienischkurses und verbrachten zwei wunderschöne Wochen in Noto mit italienisch Lernen und Ausflügen mit unserem Lehrer und Reiseführer Pietro. Geblieben ist mir die Erinnerung an ein herrlich uriges Örtchen ohne Tourismus und pittoreske wilde Naturlandschaften. Nun bin ich gespannt, was wir vorfinden werden.
Nach einem reibungslosen Flug, obwohl für das Pfingstwochenende 2,7 Millionen Fluggäste angekündigt waren – Das heißt, ganz Rom am Münchner Flughafen. Rolands Kommentar: „aber nicht alle gleichzeitig.“ Zum Glück behielt er Recht. – landen wir in Catania, nehmen unseren Mietwagen, einen Fiat 500 natürlich, entgegen. Auch hier gibt es diesmal keine Komplikationen. Wir tuckern gemütlich in Richtung Süden bis nach Sampieri, wo wir von Michele unserem Vermieter empfangen werden. Es folgt ein kleiner Dämpfer: Der Aussage Micheles: „tutto bene“ können wir uns nicht mit ganzem Herzen anschließen. Michele erwähnt gleich, dass komischerweise das Internet nicht mehr funktioniert, aber er verspricht, das Problem „domani“ zu lösen. Das Apartment kann in puncto Sauberkeit keinen Blumentopf gewinnen. Das Geschirr klebt. An der Tischdecke lassen sich noch die Ess- und Trinkgewohnheiten unserer Vormieter ablesen. Dafür haben sie uns eine Menge Vorräte dagelassen, die nach einem Haltbarkeitscheck sogar noch zu verwenden sind. Als Roland dann seine sieben Sachen in die Kommode im Schlafzimmer räumen will, lässt die Begeisterung endgültig nach. Die Rückwand des Möbelstücks ist verschimmelt. Wir beschließen: „raus damit“, gesagt getan und stellen fest, auch die Schlafzimmerwand, an der die Kommode stand, ist schimmelig. Zeit, Michele eine ausführliche WhatsApp zu schreiben. Immerhin reagiert er „pronto“ und stellt uns einen Schimmelkiller vor die Tür.
Wir haben uns inzwischen die Laune doch nicht verderben lassen und sind auf einen Erkundungsgang durch das verschlafene Fischerdorf aufgebrochen. Am Strand halte ich sofort die Füße ins Wasser. Welche Wohltat! Und kaum habe ich laut ausgesprochen, dass ich jetzt echt Lust auf ein Aperol Spritz hätte, materialisiert sich vor unseren Augen am Ende der Strandpromenade ein orangefarbener Stand, auf dem es in großen Lettern „Aperol Spritz“ heißt. Ein überaus freundlicher Sizilianer drückt uns zwei Becher in die Hand, zwar Plastik, aber der Inhalt entspricht genau den Erwartungen und ist herrlich erfrischend. Nach einem darauffolgenden köstlichen Essen im Ammare mit frischem Fisch, herrlichem Brot, exquisitem Olivenöl und einer erholsamen Nacht haben wir uns mit unserem Apartment angefreundet und genießen das Frühstück auf unserer Terrasse mit Blick aufs Meer. Besonders begeistert bin ich von der Nähe zum Strand und nutze sie, um noch vor dem Frühstück im Meer zu schwimmen und die Sonne in Yogimanier zu grüßen. Auch Roland lässt sich für die morgendlichen Sonnengrüße am Strand begeistern.
Am zweiten Tag geht es dann auch schon nach Noto. Der Wiedererkennungswert ist gleich Null. Wir schlendern durch eine schöne, aber eindeutig vom Tourismus geprägte Hauptstraße an riesigen Kirchen und Palazzi vorbei, schlürfen einen Cappuccino und lästern über die anderen vorbeiflanierenden Touristen, die so gar nichts mit uns gemeinsam haben. 😉 Es folgt ein Ausflug nach Ragusa. Hier beeindruckt uns die zweigeteilte Stadt auf zwei Hügeln mit schönen Aussichten. Außerdem probieren wir in einer Salumeria (ein kleines barähnliches Lokal mit lokalen Spezialitäten) eine sizilianische „Brotzeit“ und sind begeistert ob der köstlichen Käse- und Salamiauswahl.
Nach so viel Barockorten ist uns nach Natur und etwas Anstrengung. Da kommt ein Ausflug ins Cava Grande wie gerufen. Eigentlich ist der Zugang zur Schlucht gesperrt, aber eine aus Kisten gebaute Treppe lädt nicht nur uns ein den Abstieg zu wagen. Es geht circa eine dreiviertel Stunde steil bergab und da ist es, das Paradies: von der Natur in Stein gemeißelte Naturbecken mit kristallklarem Wasser und kleinen Wasserfällen. Bei 30 Grad im Schatten ist das erfrischende Bad eine Wohltat. Allerdings wartet schon der steile Aufstieg, den wir dann auch bald antreten. Naja, für uns Bergwanderer ein Klacks.
Auch die Hafenstadt Syrakus versprüht den sizilienspezifischen Charme eines gewissen Heruntergekommenseins, wie aus der Zeit gefallen, der ein Gefühl der melancholischen Tristesse hinterlässt und der uns dann in Catania mit voller Wucht trifft.
In Catania haben wir ein sehr charmantes Apartment mitten in der Altstadt, in dem wir uns gleich wohl fühlen. Unseren Mietwagen können wir sogar direkt vor der Tür parken. Allerdings bleibt er nicht unbeschadet, da die Sizilianer doch eher unsanft ein- und ausparken. Wir flanieren durch die Stadt immer mit Blick auf den Boden auf der Hut vor Schlaglöchern (ja, auch zu Fuß) und Hundehaufen. Meist müssen wir auf die Straße ausweichen, da die Gehwege zugeparkt sind. Auf der Straße heißt es aufpassen auf Autos und Vespas. Selbst in verkehrsberuhigten Bereichen wird man als Fußgänger immer wieder von Polizei, Taxis oder Bussen aus dem Weg gehupt. Also suchen wir kleinere Straßen in der Hoffnung auf weniger Autoverkehr zu treffen und plötzlich sind wir mitten drin in Catanias Drogen- und Prostitutionsviertel. Männer stehen mit glasigen Augen an Straßenecken und tauschen 200 und 500 Euroscheine gegen heiße Ware. Vor den Türen heruntergekommener Wohnungen sitzen Frauen und bieten ihre Dienste an. Wir legen einen Zahn zu und atmen auf, als wir wieder in den verkehrsreicheren Straßen sind. Dann doch lieber Autos und Vespas ausweichen. Sehr angetan sind wir vom Fischmarkt. Hier gibt es jeden Morgen ein riesiges Angebot an Fisch, Fleisch, Obst, Gemüse, Käse- und Wurstwaren. Sowohl das Einkaufen als auch das Beobachten des bunten Treibens machen Spaß. Das Angebot ist so verlockend, dass wir uns oft gar nicht entscheiden können, ob wir lieber kochen oder essen gehen wollen. Denn auch die Restaurantszene Catanias lässt sich keinesfalls lumpen und wir entdecken so manches Highlight. Besonders angetan hat es uns das Razmataz, eine urige Weinbar mit ausgefallener kreativer Küche und netter Bedienung. In kultureller Hinsicht sind wir etwas faul und beschränken uns zunächst auf die Besichtigung des Bellini Parks und des Botanischen Gartens der Universität, die beide durchaus sehenswert sind.
Auch von Catania aus unternehmen wir Ausflüge in die Umgebung: Wir schauen uns Taormina an, was durch seine Hanglage und das gut erhaltene Amphitheater besticht, aber als Touristenhochburg eher abschreckt. Hier laufen wir zwar durch sehr gepflegte Gassen, müssen uns aber durch die Touristenströme kämpfen.
Wirklich schön ist eine Wanderung im Ätna Park durch eine erstaunlich abwechslungsreiche Naturlandschaft mit Lavafeld, Mischwald und Wildblumen. Und dann wagen wir uns an die wohl größte Herausforderung in diesem Urlaub, die Wanderung auf den Ätna. Schon der Tag vorher ist durch die Planung bestimmt: Welche Route nehmen wir? Was nehmen wir als Proviant mit? Wie viel Wasser brauchen wir? Wie „kalt“ wird es in 3000 Metern Höhe? Wann müssen wir aufstehen? Vor lauter Aufregung kann ich kaum schlafen und werde auch noch durch eine an unserer Wohnung vorbeiziehenden nächtlichen Demo wachgehalten. Zumindest klingt es in meinen Ohren so. Reichlich unausgeschlafen aber voller Erwartung und bestens mit Kleidung und Proviant ausgestattet geht es dann schließlich los. Wir parken am Rifugio Sapienza und machen uns an den steilen und beschwerlichen Aufstieg durch das lose Lavageröll. An der Bergstation der Seilbahn angekommen, bin ich schon etwas über den Spaßfaktor hinaus und bedaure, dass wir die 33€ pro Person nicht für die bequeme Beförderung nach oben investiert haben. Denn nach einer kurzen Pause geht es erst richtig los, zunächst durch ein weites Lavafeld, immer bergauf und gegen den Wind, der ständig stärker wird. Roland ruft mir ganz motivierend zu: „Ich sehe dich noch nicht da oben.“ Nach oben wage ich gar nicht mehr zu schauen, erstens wegen der Demotivation und zweitens, weil mir dann der Hut vom Kopf wehen würde. Schließlich zieht mich Roland an der Hand weiter nach oben. Durch das Geröll und den Sand geht es stetig zwei Schritte vor und einen zurück. Endlich sind wir am Fuß des Kraters angekommen, dort, wo die Busse halten und es endgültig nur noch zu Fuß weitergeht. Es scheint nur noch einige Meter weit zu sein. Doch Moment, das ist nur der Nebenkrater Barbagallo. Laut unserer Wander-App Komoot geht es an dem Krater vorbei. Es gibt auch einen Weg, der allerdings gesperrt ist. Man darf hier nur mit Bergführer oder Vulkanologen weiter. Wir ignorieren die Warnung und schlagen den vorgeschlagenen Weg ein. Immerhin lässt es sich hier leichter gehen, da der Untergrund fester ist. Vor uns erhebt sich ein ziemlich hoher Berg. Das ist er wohl, der Hauptkrater des Ätna, geschätzt noch weitere 300 Höhenmeter. In Anbetracht der Tatsache, dass wir alles, was wir hinaufgelaufen sind, auch wieder hinuntermüssen, beschließen wir, dass es gut ist, gehen zurück zum Nebenkrater Barbagallo und schauen uns diesen noch genauer an, bevor wir uns wieder an den Abstieg machen, allerdings nicht ohne einige wehmütige Blicke zurück in Richtung Hauptkrater zu werfen. Der Abstieg ist wesentlich leichter, aber unbequem und rutschig und wir haben uns den Cappuccino und den frisch gepressten Orangensaft im Rifugio Sapienza ehrlich verdient. Die Exkursion hat sich gelohnt, schon allein, weil wir endlich die Sizilienkappe für meine liebe Tante gefunden haben. Vor zwölf Jahren hatte sie eben hier am Rifugio Sapienza die Kappe gefunden, die seitdem zu ihrem Markenzeichen wurde und für die sie bisher keinen Ersatz gefunden hat. Der freundliche Verkäufer erklärt uns auch, warum nicht: Die Kappe wird nur in Sizilien hergestellt und dort nur in drei oder vier Läden verkauft. Ich freue mich wie ein Honigkuchenpferd, dass wir die Kappe gefunden haben, nachdem wir die Hoffnung schon aufgegeben hatten, und bin gespannt auf die Reaktion meiner Tante.
Am Tag nach der Ätna Wanderung gönnen wir uns einen Erholungstag im Lido Scogliera in Catania und gehen ganz feudal schwimmen mit Sonnenschirm, Sonnenliegen und Leitern, über die man ins kühle Nass steigen kann. Hier fühlen wir uns zurückversetzt in die 60er Jahre und tatsächlich erinnern auch Fotos am Zugang an diese Zeit. Es ist schon unser letzter Urlaubstag und er hält noch einige Highlights für uns bereit: Am frühen Abend steigen wir auf die Kuppel der Kirche Sant‘ Agata und sind berauscht von einem einmaligen Panoramablick über die gesamte Stadt. Leider haben es die Angestellten eilig die Sehenswürdigkeiten zu schließen, so dass wir es nicht mehr in den Dom schaffen. Stattdessen schlendern wir noch etwas durch die Straßen und landen schließlich in einem ausgesprochen guten Lokal und genießen ein fantastisches Essen. Hier stimmt wirklich alles: Der Service ist freundlich und aufmerksam und macht gute Empfehlungen. Das Essen ist köstlich. So beschließen wir unseren Urlaub rundum zufrieden und treten am folgenden Tag bei knapp 40 Grad den Rückflug nach München an.
Unser Lieblingsessen: Hier fällt die Entscheidung schwer. Die kreativen Kombinationen von Fisch und Pistazien (meist als Pastagericht) haben es uns angetan. Eine Neuentdeckung war der Pecorino mit Trüffel. Aber auch die frischen Tomaten in allen Variationen und Fisch und Meeresfrüchte waren nicht zu verachten. Außerdem entdeckte Roland die sizilianische Variante der Fleischpflanzerl: Polpette.
Unser Lieblingsdrink: Rotwein (meist Nero d’Avola), Weißwein (Grillo).
Verwendeter Reiseführer: keine. Wir haben uns im Internet informiert.
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