Und dann ist es soweit, wir kommen in Kapstadt an. Es fühlt sich an wie nach Hause kommen. Hier werden wir nur noch einmal die Wohnung wechseln und richten uns für die ersten zwei Wochen gemütlich in unserem ersten Apartment ein, in dem wir uns sofort wohl fühlen. Wir wohnen zwischen Waterfront und Stadtzentrum und genießen es, die bekannten und geliebten Orte abzuklappern. So spazieren wir an der Seepromenade entlang und dürfen gleich am ersten Tag schon wieder Delfinen zuschauen, wie sie in hohen Bögen anmutig aus dem Wasser springen. Bei einer Wanderung auf den Signal Hill beobachten wir Gleitschirmflieger, wie sie ihre Runden ziehen, bevor sie unten an der Promenade landen.

Noch immer wird an der Promenade viel gesportelt, vor allem gejoggt und geradelt, aber leider auch viel gebettelt. Hier wird die immer größer werdende Kluft zwischen arm und reich nur allzu deutlich.

Es scheint uns, als gäbe es mehr Touristen als bei unseren vergangenen Reisen und uns wird mehrfach bestätigt, dass momentan vor allem viele deutsche Touristen hier seien.

Die zweite Unterkunft, in der wir ganze vier Wochen verbringen, toppt die erste um Längen. Wir wohnen hoch über der Stadt mit entsprechendem Ausblick in einem von vielen Deutschen bewohnten Viertel, nahe der internationalen und deutschen Schule, mit der die Münchner Schule, an der ich arbeite, neuerdings einen Austausch pflegt. Ein Zufall! Ein noch größerer Zufall ist, dass meine Kollegen just, während wir hier wohnen, mit einer Gruppe Schülern Kapstadt und eben diese Schule besuchen. Natürlich bin ich neugierig und freue mich, dass ich mir die Schule in Begleitung meiner Kollegen auch von innen anschauen kann. Die Kinder gehen hier offensichtlich gern zur Schule und unter den Lehrerinnen und Lehrern trifft man viele gut gelaunte an. Ein besonderes Highlight ist, dass Roland und ich die Schüler und Kollegen aus München auf der Wanderung auf den Tafelberg begleiten dürfen. Außerdem feiern wir den Geburtstag meiner lieben Kollegin in dem schönen Lokal „On the Rocks“ bei erstklassigem Sonnenuntergang und machen zu viert einen Ausflug zu mehreren Weingütern.

Auch zu zweit machen wir noch einige neue Entdeckungen in Kapstadt und Umgebung.

Ein Ausflug führt uns zum urigen „Scone Shack“, einem Café auf einer Farm mit Schweinen, Enten, Kaninchen, Ziegen, Katzen, Hunden und Pfauen, wo es, wie der Name schon sagt, hauptsächlich frisch gebackene Scones, aber auch einen hervorragenden Carrot Cake gibt. Unser Plan sah vor, nach dem reichhaltigen Afternoon Tea per Uber weiter nach Scarborough zu fahren, einem besonders schönen Küstenort, den wir schon von unserer letzten Reise kennen. Allerdings stellt sich heraus, dass kein Uber Fahrer bereit ist, uns vom Scone Shack abzuholen, welches zugegebenermaßen etwas abgelegen ist. Während ich in einer der Farm zugehörigen Parfümerie handgemachte Seife kaufe, bekommt die Verkäuferin unsere missliche Lage mit und bietet uns an, uns nach Ladenschluss nach Scarborough zu fahren. Wir können unser Glück kaum fassen und nehmen dankend an. So müssen wir uns zwar noch eine Weile gedulden, kommen aber in den Genuss einer sehr angenehmen Fahrt inklusive interessanter Gespräche mit der netten Seifenverkäuferin und ihrem Freund.

In Scarborough verbringen wir noch etwas Zeit am Strand und versuchen dann erneut unser Glück mit Uber. Es dauert lange, bis wir einen Fahrer bekommen, aber es funktioniert immerhin.

Beim nächsten Ausflug machen wir eine ähnliche Erfahrung: Am Valentinstag haben wir für den Abend auf einer Farm in Hout Bay einen Sushi Workshop mit Weinverkostung gebucht. Wir sind die einzigen Touristen und den anderen Teilnehmern fällt auf, dass wir zu Fuß gekommen sind. Ja, wir haben den Bus genommen und sind dann noch zwanzig Minuten gelaufen. Der Workshop macht uns beiden großen Spaß und ist ein kulinarischer Hochgenuss, was vor allem an den exquisiten Zutaten und der Spitzenköchin, die den Workshop leitet, liegt. Schließlich stellt sich wieder die Frage des Nachhausekommens für uns. Der Bus fährt nicht mehr und auch von Hout Bay aus scheinen die Uber Fahrer nicht mehr nach Kapstadt fahren zu wollen. Ein Paar aus Hout Bay bietet uns sofort an, uns nach Hause zu fahren. Wieder können wir unser Glück kaum fassen und sind beeindruckt von der Hilfsbereitschaft.

An einem Tag fahren wir nach Kalk Bay auf der östlichen Küstenseite. Als wir gerade noch gemütlich im Café sitzen, bricht ein Buschbrand am Berg oberhalb aus. Der Himmel verdunkelt sich, innerhalb weniger Minuten breitet sich beißender Qualm aus und es regnet Asche. Wir haben Glück und bekommen diesmal schnell einen Uberfahrer. Dieser steckt allerdings im Stau fest, der sich mittlerweile auf der Hauptstraße gebildet hat. Also laufen wir ihm entgegen, steigen ein und es gelingt ein Wendemanöver, so dass wir aus dem Ort kommen, bevor die Straße gesperrt wird. Später erfahren wir aus den Nachrichten, dass die Feuerwehr den Brand noch am Abend unter Kontrolle bekommen hat. Es bleibt ein beklemmendes Gefühl. Bei aller Schönheit des Landes und entspanntem Dasein werden uns Gefahren, Einschränkungen und Missstände nur allzu bewusst.

So ist Load Shedding auch in Kapstadt ein großes Thema. Während wir hier sind, verschärft sich die Lage und phasenweise wird der Strom innerhalb von 24 Stunden für die Hälfte der Zeit abgestellt. Allerdings haben wir in unserer zweiten Unterkunft das Glück, dass die Abschaltung trotz Ankündigung oft nicht erfolgt. Ob das daran liegt, dass der Bezirk eher von wohlhabenden Menschen bewohnt wird? Wir kommen ins Grübeln.

Als sehr einschränkend empfinden wir, dass immer nachdrücklicher vor Überfällen in Wandergebieten gewarnt wird und wir eigentlich gar nicht mehr bedenkenlos unterwegs sein können. Trotzdem erklimmen wir den Lion’s Head und wiederholen eine Wanderung, die wir auf der letzten Reise mit unseren Freunden Teresa und Michael unternommen haben. Allerdings sind wir fast alleine unterwegs und ich kann mich ob der Einsamkeit auf dem Berg eines mulmigen Gefühls nicht erwehren. Als wir Teresa einige Tage später treffen, erzählt sie uns prompt, dass Michael und sie vor einiger Zeit in der Gegend überfallen und ausgeraubt wurden. Hätten wir es vorher gewusst, hätten wir die Wanderung wohl nicht gemacht.

Sogar vor einem zweiten Aufstieg auf unseren „Hausberg“, den Signal Hill werden wir ausdrücklich von einem Polizisten gewarnt, den ich nach dem Weg frage. Er warnt, dass sich die Typen hinter Büschen verbergen würden und es vor allem auf Mobiltelefone abgesehen hätten. Er bietet uns sogar an, uns zu begleiten. Wir lehnen dankend ab, stecken aber das Handy in die Tasche und schauen nur im äußersten Notfall darauf. Entspanntes Wandern ist anders.

Und dann passiert es doch. An einem Freitag besuchen wir eine Kunstmesse im Zentrum und bestaunen die Kunstwerke unterschiedlicher südafrikanischer Künstler. Auf dem Rückweg gehen wir durch die berüchtigte Longstreet. Die Straße ist belebt und wir gehen sehr zügigen Schrittes nebeneinander. Roland hat sein Handy in einer Hosentasche, seitlich eng am Oberschenkel. Ironischerweise unterhalten wir uns gerade angeregt über die Selbstverteidigungsstrategie Krav Maga. Plötzlich sind wir nicht mehr sicher, ob wir abbiegen müssen, also will Roland auf dem Handy nach dem Weg schauen. Es ist aber nicht da. Sofort ist klar, dass es jemand aus Rolands Tasche gezogen und gestohlen haben muss. Wir sind fassungslos, dass wir rein gar nichts bemerkt haben. Auf der anderen Straßenseite parken zwei Polizeiautos. Wir sprechen die Polizisten an und erzählen ihnen, was passiert ist. Sie empfehlen uns nach Hause zu gehen und die Polizeistation anzurufen. Es würde dann jemand kommen und die Anzeige aufnehmen. Wir folgen dem Rat, doch die Polizei taucht nicht bei uns auf. Unser Vermieter bietet sogar noch an, uns zur Polizeistation zu fahren, aber macht uns wenig Hoffnung auf Erfolg. Also lassen wir es bleiben. Allerdings können wir das Handy noch orten und den Weg des Diebes bis zu einem Internetcafé verfolgen, bevor es abgeschaltet wird. Gerade noch kann ich Roland davon abhalten, den Laden auf eigene Faust hochgehen zu lassen. Aber hin will er unbedingt. Also machen wir uns am nächsten Tag auf den Weg und mein Verdacht wird bestätigt: Es handelt sich um eine sehr zwielichtige Einrichtung, in der gebrauchte Handys und Teile der selben chaotisch herumliegen. Direkt vor dem Laden verkauft ein Straßenhändler gebrauchte Handyhüllen, aber die von Roland ist nicht dabei. Also ziehen wir unverrichteter Dinge wieder von dannen und kommen noch mehr ins Grübeln. Natürlich sind wir froh, dass uns nichts passiert ist. Wir haben noch Geld, Dokumente und mein Handy. Auch Rolands Daten sind sicher in der Cloud und bis auf die letzten Fotos von der Kunstmesse gibt es hier keinen Verlust. Aber der materielle Schaden ist ärgerlich und das Auslandspaket, mittels dessen wir unterwegs online sein konnten, ist futsch. Außerdem wächst unser Misstrauen in die Menschen und das ist besonders schade und belastend. In den nächsten Tagen trauen wir uns kaum, irgendetwas von Wert bei uns zu tragen. Vor allem mein Handy, auf dem wir nun ein neues Auslandspaket haben, gilt es zu schützen.

Ein weiteres Umweltthema gibt uns zu denken. Unsere Bekannte Charlene, deren Bruder eine Austernfarm führt, bietet uns an, uns frische Austern zu bringen. Daraus wird aber leider nichts, da die Westküste von der sogenannten „Red Tide“ heimgesucht wird. Es handelt sich um eine Ansammlung von roten Algen, deren Auswirkungen auf Fisch und Meeresfrüchte nicht ganz klar ist. Aus diesem Grund dürfen unter anderem keine Austern mehr aus dem Meer geholt werden.

Die letzten Tage verbringen wir entspannt mit einem ausgiebigen Besuch im botanischen Garten Kirstenbosch, Badeausflügen nach Camps Bay und einem letzten Spaziergang an der Promenade.

Schön war es wieder in Kapstadt und doch verlassen wir die Stadt etwas nachdenklicher als die ersten Male. Ja, Uwe, leider kann man auch hier mittlerweile von Overtourism sprechen und die Themen Sicherheit und Umwelt beschäftigen uns.

Nun sind wir gespannt auf das letzte Ziel unserer Weltreise: Istanbul.