„Wer nicht so weit geht, wie sein Gefühl ihn treibt und sein Verstand ihm erlaubt, ist ein Dummkopf.“
Heinrich Heine

Mein zweites Sabbatjahr und damit unsere zweite gemeinsame Auszeit beginnt. Geplant war eine Fortsetzung unserer Weltreise 2017/2018. Im März brach Corona über uns herein… und nun ist alles anders? Ungewisser auf jeden Fall!
Der Sommer lässt sich jedoch gut an mit einer Deutschlandreise.

Nidderau 27. bis 29. Juli 2020

Schon zum zweiten Mal besuchen wir unsere Freunde Petra und Jürgen im beschaulichen Nidderau in Hessen. Die beiden begeistern uns mit ihrer großzügigen Gastfreundschaft, ihrem Verständnis für Kultur und ihrem weiten Horizont. So wird auch dieser Aufenthalt zu einem vielfältigen Genuss.
Während Jürgen uns bei unserem letzten Besuch im August 2019 die Keltenwelt am Glauberg zeigte, führt er uns diesmal durch Frankfurt. Ein Programmpunkt ist hier der Campus Westend der Johann Wolfgang Goethe-Universität mit dem imposanten Poelzig-Bau, der einmal das I.G.-Farben-Haus war. Nach einer Stadtbesichtigung schauen wir uns noch die Skulpturensammlung „Die bunten Götter“ im Liebighaus an. Angefüllt mit neuen Eindrücken für den Geist, genießen wir abends wieder Petras Kochkünste für den Leib. Da bleiben keine Wünsche offen.
Nach einem herzlichen Abschied fahren wir weiter in Richtung Westerwald.

Wester(n)wald 29. Juli bis 7. August 2020

Nach einer kurzen Autofahrt sind wir wieder da, im schönen Westerwald. Entdeckt habe ich ihn im Mai 2018, als es mich zum Seminar „Yoga und Pferde“ dorthin verschlug. Das beste an dem Seminar war die Bekanntschaft mit Kirsten. Als Pferdewirtin, Reitlehrerin, Tierärztin und Mutter von vier Kindern hat sie mich mit ihrer freundlichen unkomplizierten Art tief beeindruckt und ich habe sie sofort ins Herz geschlossen.
Seitdem besuche ich sie, so oft ich kann zu Intensivreitkursen.
Roland hat mich beim letzten Aufenthalt im August 2018 zum ersten Mal begleitet und den Westerwald wandernd erkundet, während ich das Glück dieser Erde auf den Rücken der Pferde fand.
Eigentlich war meine erste Reise in den Westerwald in diesem Jahr an Ostern geplant. Roland wollte die Zeit nutzen, um Norditalien zu erkunden. Corona machte uns beiden einen Strich durch die Rechnung. Meinen Urlaub verschob ich auf August und da es für Italien noch kein grünes Licht gab, plante Roland kurzerhand um und beschloss, mich ein zweites Mal in den Westerwald zu begleiten.
Hier sind wir also in einer sehr schönen romantischen Unterkunft und richten uns ein.
Da Kirsten im Home Office ist, komme ich in den Genuss von täglich zwei Reitstunden plus gelegentlicher Ausritte. Roland ist also auf sich alleine gestellt, stürzt sich in die Arbeit am Laptop und erforscht mit ausgiebigen Wanderungen, was er noch nicht vom Westerwald kennt.
Abends treffen wir uns im schönen Garten unserer Unterkunft zum Essen, genießen den herrlichen Sommer und erzählen uns gegenseitig von unseren Abenteuern.
Viel zu schnell vergeht die Zeit und wir fahren wieder in Richtung Heimat.

Harz-4-Reise 21. bis 25. August 2020

Lange hält es uns nicht in München und schon bald sind wir wieder on the road. Die „Harz-4-Reise“, so von Roland genannt, da wir zu viert mit Claudia und Stefan, Petra und Robin in ihrem Ferienhaus im Harz besuchen.
Dort angekommen, werden wir herzlich empfangen und verbringen einen sehr schönen und gemütlichen Abend zu sechst plus Labrador Karl.
Die Ansage war, dass nicht mit gemütlichem Frühstücken zu rechnen sei, sondern wir immer gleich früh losmarschieren würden auf lange Wanderungen. Also sind Roland und ich vorbereitet: Wir haben Wandersachen dabei und ein Müsli, so dass wir in circa 10 Minuten frühstücken können.
Am nächsten Morgen stellen wir also den Wecker, richten unser Müsli und scharren mit den Hufen. Unsere vier Freunde dagegen trinken erstmal Tee und Kaffee und beginnen dann irgendwann die Vorfrühstücksrunde mit etwas Obst. Nanu? Wir lassen unser Müsli stehen, setzen uns dazu und warten. Nach etwa einer Stunde beginnt dann das Hauptfrühstück und wir setzen uns mit unserem Müsli dazu. Also doch gemütlich. Naja, wir wären jedenfalls vorbereitet gewesen.
Dann geht es aber los zur ersten Wanderung und der Harz zeigt sich von seiner besten Seite. Bei herrlichem Wetter genießen wir die Bewegung in der schönen Berglandschaft.

„Steiget auf ihr alten Träume, öffne dich du Herzenstor. Liederwonne, Wehmutstränen strömen wunderbar hervor. Durch die Tannen will ich schweifen, wo die muntere Quelle springt, wo die stolzen Hirsche wandeln, wo die liebe Drossel singt. Auf die Berge will ich steigen, auf die schroffen Felsenhöhen, wo die grauen Schlossruinen in dem Morgenlichte stehen.“ Heinrich Heine (deutschlandfunkkultur.de)

Aber das war nur das Warm-up. Am nächsten Tag besteigen wir nach gemütlichem Frühstück den Brocken. Wir nehmen den Heinrich-Heine-Weg über den Ilsestein.

“Der Ilsestein ist ein ungeheurer Granitfelsen, der sich lang und keck aus der Tiefe erhebt. Von drei Seiten umschließen ihn die hohen, waldbedeckten Berge, aber die vierte, die Nordseite, ist frei, und hier schaut man in das unten liegende Ilsenburg und die Ilse, weit hinab ins niedere Land. Auf der turmartigen Spitze des Felsens steht ein großes eisernes Kreuz, und zur Not ist da noch Platz für vier Menschenfüße.” Aus Heinrich Heines Harzreise (harzpost.de)

Roland und ich probieren es sofort aus und klettern auf den Felsen und siehe da, unsere vier Menschenfüße passen auf den Fuß des Kreuzes.
Diese Tour hat es dann mit knapp 26 Kilometern und 1000 Höhenmetern in sich. Vor allem der letzte Teil auf Panzerplatten zieht sich. Da gibt es abends dann doch einige schmerzende Gelenke und blaue Zehen. Glücklicherweise heitert uns Robin zwischendurch immer wieder mit seinem unvergleichlichem Humor auf. Auch zeigt er uns die ein oder andere Abkürzung über zugewachsene Trampelpfade. Und die vielen Brombeeren, die wir unterwegs finden, entschädigen für die zerschrammten Beine.
Zur Erholung legen wir an unserem letzten Tag einen Stadtbummel in Quedlinburg ein und bestaunen die schönen Fachwerkhäuser und die malerischen Gassen. Überraschend kommen wir in den Genuss von kostenlosen Führungen, erst in einer evangelischen Kirche und dann auf dem Münzenberg. Die etwas burschikosen aber netten Herren sprechen uns an und versorgen uns bereitwillig mit Informationen zur Kirchen- und Stadtgeschichte, wobei der Herr in der Kirche seinen Vortrag als Quiz gestaltet und unser Unwissen entlarvt, was ihm offensichtlich Freude bereitet.
Unser Aufenthalt im Harz ist kurz und wir fahren am nächsten Tag schon weiter nach Berlin, während unsere Freunde noch etwas bleiben.
Schön war es und ja, auch in Deutschland lässt es sich reisen. Das stellte Heinrich Heine ja auch schon fest. Über Berlin schrieb er:

„Keine Stadt hat nämlich weniger Lokalpatriotismus als Berlin. Der Grund dazu ist: Berlin ist gar keine Stadt, sondern Berlin gibt bloß den Ort dazu her, wo sich eine Menge Menschen versammeln, denen der Ort ganz gleichgültig ist.“ Heinrich Heine (myzitate.de)

Berlin 25. August bis 2. September 2020

„KOMM‘ SE RIN, KÖNN‘ SE RAUSKIEKEN.“

Da sind wir wieder in Berlin, die Stadt, in der ich immer einen Koffer haben werde, in der ich immerhin 30 Jahre meines Lebens verbracht habe, um meine Eltern zu besuchen.
Diesmal sind wir weniger in der Stadt und mehr im östlichen Umland unterwegs. Meine Eltern haben Fahrräder für Gäste angeschafft, die wir nun auf Herz und Nieren testen dürfen. Fast täglich radeln wir zwischen 30 und 60 Kilometer um den Großen Müggelsee, an der Dahme entlang, zum Museumspark Rüdersdorf, einem großen Freilicht-Industriemuseum, in dem die Gewinnung und Verarbeitung von Kalkstein dokumentiert ist und einmal auch quer durch Berlin ein Stück auf dem Mauerstreifen entlang. Hier werden wir auf beeindruckende Weise an die Zeit des geteilten Deutschlands erinnert.
Außerdem essen wir das beste Eis, das wir je gegessen haben.
Da wir so viel mit den Fahrrädern unterwegs sind, fällt besonders auf, wie entspannt die Berliner im Straßenverkehr sind. Vor allem die Autofahrer sind erfreulich rücksichtsvoll. Hier wird man als Radfahrer nicht angehupt. Auch Fußgänger werden über die Straße gelassen, ein Phänomen, dass wir auf unseren Reisen bisher eher selten erlebt haben.
Viel zu schnell vergeht auch hier die Zeit und schon nehmen wir Abschied von meinen Eltern und fahren zurück nach München, voller Hoffnung, dass unserer schon lange gebuchte Reise nach Georgien trotz Corona stattfinden kann.