„Ich lebe nun hier mit einer Klarheit und Ruhe, von der ich lange kein Gefühl hatte. Meine Übung alle Dinge, wie sie sind, zu sehen und zu lesen, meine Treue das Auge licht sein zu lassen, meine völlige Entäußerung von aller Prätention, machen mich hier im stillen höchst glücklich.“
Johann Wolfgang von Goethe, Brief an Charlotte aus Rom, am 7. November 1786 Selbstzeugnisse, Italienische Reise (1816–1829)

Zwischenstopp am Lago Maggiore 

„Brutto tempo“, kommentiert Luisa, unsere Vermieterin, als sie den Rollladen im Wohnzimmer hochzieht. „Ah“, sagt Roland, „der Rollladen geht nur langsam hoch.“ „Nein“, raune ich Roland zu, „sie meint, dass schlechtes Wetter ist.“ Das stimmt auch, noch hängen dunkle Wolken über dem Lago Maggiore und es hat sichtlich geregnet. Macht nichts. Wir können trotzdem die erste italienische Pizza in einem Lokal im Freien unter einer Markise essen und genießen den Urlaubsauftakt, auch wenn es abends etwas frisch wird.

Der nächste Tag begrüßt uns mit strahlendem Sonnenschein und es wird ein herrlicher Sommertag mit ausgiebigem Spaziergang, gutem Essen in einem Fischrestaurant und einem Bad im See.

Am folgenden Tag geht es auch schon weiter in Richtung Ligurien. Das Wetter ist wieder recht „brutto“. Doch wir sind guter Dinge und ziemlich sicher, dass hinter den Bergen vor uns die Sonne scheint. Und tatsächlich, als wir in unserer Unterkunft in San Lorenzo di Mare, in der Nähe von Imperia ankommen, lacht uns die Sonne entgegen.

San Lorenzo di Mare

Obwohl wir eine genaue Adresse haben, tun wir uns etwas schwer unsere Unterkunft zu finden. Die Einfahrt zum Agriturismo La Tuffatrice von der Landstraße aus ist halsbrecherisch, das Eingangstor sieht rostig aus und wir wollen zunächst einfach nicht glauben, dass es dort wirklich zu unserer Unterkunft geht. Als wir die steile Biege dann doch wagen und mit dem Fiat einmal ordentlich aufgesessen sind, entpuppt sich das rostige Tor als relativ moderne Schmiedekunst und öffnet sich erst elektrisch, nachdem wir geläutet haben. Wir werden von lautem Hundegebell begrüßt und von unseren Vermietern, die uns über das wichtigste informieren und uns eine wunderbare Restaurantempfehlung geben: El Bar dei Pescatori. Zwar erwischen wir am ersten Tag die falsche Bar, weil sie auf unserem Weg zum Strand kurz vorher liegt und wir den Namen nicht gleich sehen. Aber in den nächsten Tagen wird die Bar dei Pescatori zu unsere Lieblingsanlaufstelle vor oder nach dem Baden im Meer. Hier gibt es die besten Paninis und eimerweise Aperol Spritz mit gratis Brotzeitbrett inklusive.

Unsere Unterkunft liegt auf einer Anhöhe mitten in einem geschmackvoll angelegten Garten mit Blick aufs Meer. Vom selbigen trennt uns zwar noch die Küstenstraße, aber der Strand mit Lieblingsbar ist fußläufig zu erreichen. Wir verbringen hier vier entspannte Tage, nutzen die Grillmöglichkeit im Garten an den lauen Sommerabenden und machen Ausflüge nach Imperia und San Remo. Während uns das beschauliche Imperia bezaubert, finden wir das viel besungene San Remo eher enttäuschend. Die Altstadt ist durchaus sehenswert, aber leider haben wir den Parkautomaten nur für eine Stunde gefüttert und laufen im Stechschritt durch die Gassen. Um nun wirklich genug Zeit zu haben, uns den Hafen anzuschauen und dort Mittag zu essen, füttern wir die Parkuhr ausgiebig. Nach rund 20 Minuten Fußmarsch am Hafen angekommen, kommt uns das Ambiente allerdings sehr touristisch und die Restaurants wenig ansprechend vor. Also geht es im Schweinsgalopp zurück zum Auto und mit quietschenden Reifen zurück nach San Lorenzo di Mare zur Lieblingsbar.

Cinque Terre

Das bisschen Tourismus in San Remo ist allerdings nichts gegen das, was uns in Cinque Terre erwartet. Gemeinsam mit den anderen Touristen wälzen wir uns durch die fünf kleinen Orte und fressen uns durch. Anders kann man es leider kaum formulieren. Die an sich malerischen Orte drohen vor Menschenmassen auseinanderzubrechen. Restaurants und Souvenirläden reihen sich aneinander. Kellner und Verkäufer gähnen den Kunden gelangweilt entgegen.

Umso erfreulicher ist unser Ausflug mit dem Schiff nach Porto Venere. Hier ist die Welt noch halbwegs in Ordnung. Ja, auch hier halten sich viele, sehr viele Touristen auf. Aber der Ort ist etwas größer, luftiger und die Masse verteilt sich besser. Die schwarz-weiße Kirche auf einem vorgelagerten Hügel, der ins Meer ragt, beeindruckt.

Willkommene Abkühlung bietet ein Bad im Meer, nahe der Byrongrotte, von der aus der schwimmbegeisterte Lord Byron waghalsige Schwimmabenteuer startete. Zum Mittagessen laufen wir an der Strandpromenade bis zum östlichen Ende von Porto Venere und erleben auch kulinarisch ein Highlight. Die Bedienung ist ausgesprochen freundlich und gratuliert mir zu meinen Italienischkenntnissen, die in Wahrheit grottenschlecht sind. Zum Bestellen reicht es aber offensichtlich. Der Thunfischtartar zergeht auf der Zunge und die Pasta lässt uns in anderen Sphären schwelgen. So gut, da müssen wir uns auch noch eine halbgefrorene Pistaziencreme zum Nachtisch gönnen.

Äußerst schweißtreibend, aber ein guter Ausgleich zu den kulinarischen Genüssen sind die Küstenwege zwischen Corniglia, Vernazza und Monterosso, die wir am nächsten Tag mit kurzen Zwischenstopps in den Orten erwandern.

Unsere Unterkunft ist in Levanto, einem Ort der noch nicht zu Cinque Terre gehört, wie sich herausstellt, eine sehr gute Wahl. Auch hier geht es noch etwas entspannter zu, es gibt eine schöne Fußgängerzone und eine große Auswahl an Restaurants und Einkaufsmöglichkeiten. Von hier aus mieten wir uns Fahrräder und machen eine Radtour in Richtung Westen. Hier wurde ein sehr komfortabler Rad- und Fußweg an der Küste entlang angelegt. Einen solchen Weg findet man an der Küste Liguriens mit Unterbrechungen immer wieder und er wird weiter ausgebaut. Unsere Strecke führt allerdings größtenteils durch Tunnel und endet bereits nach einer halben Stunde abrupt am Strand von Framura. Wir verlängern durch eine kleine Wanderung in den um einiges weiter oben liegenden Ort Framura und stellen fest, dass sich der Aufstieg in den anmutigen Ort mit den kleinen verwinkelten Gassen durchaus lohnt.

Schön war es in Levanto und Cinque Terre, aber wir sind uns einig, dass es einmal gesehen haben reicht und freuen uns auf Genua, unsere letzte Reiseetappe.

Genua

In Genua angekommen, müssen wir als erstes ein Problem lösen: Was machen wir mit dem Auto? Am liebsten würden wir es in Luft auflösen, denn uns erwartet ein uns durchaus schon bekanntes Phänomen: Die Stadt ist voller Autos, die Verkehrsregeln sehr individuell und es gibt absolut keine Parkplätze, auch keine Möglichkeiten, das Auto kurz abzustellen. Das hat man davon, wenn man eine Unterkunft mitten im historischen Zentrum bucht. Also beißen wir in den sauren Apfel und stellen das Auto in die von der Vermieterin empfohlene nahegelegene Parkgarage und versuchen, die auf uns zukommende Rechnung geistig auszublenden. Immerhin steht das Auto geschützt und wir können uns ganz der Erkundung der Stadt widmen.

Sie gefällt uns, diese Stadt. Nach der Überdosis Tourismus tut es gut, etwas ins italienische Leben einzutauchen. Wir starten mit einem Einkauf in der Markthalle, in der wir uns kaum zwischen den vielen ansprechenden Ständen entscheiden können, verlassen den Ort aber schließlich zufrieden mit unserer Beute, die aus Obst, Tomaten, Mozzarella, Parmaschinken und Ciabatta besteht. Damit verbringen wir einige Abende auf unserem Minibalkon im vierten Stock eines hohen Altbaus und beobachten das Leben auf der Straße, das allerdings bis tief in die Nacht recht geräuschvoll abläuft, da unter anderem, wie Roland feststellt, alle 30er und 600er Busse durch unsere Straße fahren.

Am besten gefällt uns die Altstadt mit ihren engen Gassen. Das Hafenviertel ist eher enttäuschend. Der Blick über Hafen und Stadt vom Belvedere aus, zu dem man mit einem Artdeco Aufzug fahren kann, ist allerdings atemberaubend.

Besonders schön ist die Piazza San Matteo mitten in der Altstadt, an der wir bei einem guten Essen und einem Glasl Wein unseren letzten Urlaubsabend verbringen.

Ciao, bella italia!