„Heimat ist der Ort, der uns nicht nur Geborgenheit, sondern auch Aufbruch und Rückkehr gewährt.“
Ernst Reinhardt

Die Insel der Seligen und der Ziegen wird für neun Wochen zu unserem nächsten Paradies und nicht zuletzt zum perfekten Zufluchtsort vor der Pandemie.
Nach mehrfacher Stornierung unseres Fluges seitens der Fluggesellschaft und Umbuchungen läuft die Reise von Johannesburg nach Fuerteventura erstaunlich glatt und entspannt ab. Mit negativen Covid Testergebnissen und QR Codes für die Einreise nach Spanien versehen, dürfen wir alle Grenzen passieren, können unseren gebuchten Mietwagen direkt am Flughafen von Puerto del Rosario in Empfang nehmen und in unserer Unterkunft in El Cotillo einchecken. Der Mietwagen ist ein Citroën Cactus, sehr passend für diese Insel, wie wir finden und sehr verbreitet, wie wir schnell feststellen. Bei einem ersten café con leche und tostadas con jamón lassen wir uns den Wind um die Ohren wehen und die Sonne ins Gesicht scheinen. Wind und Sonne gibt es hier reichlich in unterschiedlicher Intensität und Kombination. Nun sind wir also wieder in Europa und trotzdem nur ungefähr 120 Kilometer von Afrikas Küste entfernt. Wir richten uns ein und da Roland nun wieder mehr arbeiten muss, entwickeln wir eine Routine aus Essen, Schlafen, Arbeitszeit und kurzen Aufenthalten am Strand, wobei wir diesen Ablauf zwischendurch mit Ausflügen unterbrechen, bei denen wir die Insel nach und nach erkunden.

Zunächst haben wir fünf Wochen für den Aufenthalt hier geplant und unseren Rückflug nach München schon gebucht. Doch wir finden immer mehr Gefallen an Fuerteventura und insbesondere an El Cotillo. Während die Pandemie in Deutschland tobt, konnte hier mittlerweile von der roten Ampel auf die gelbe und schließlich auf die grüne Ampel umgeschaltet werden. Bis auf das Tragen der Maske erleben wir hier also keine Einschränkungen mehr. Schließlich lassen wir unseren Flug sausen und suchen eine neue Unterkunft für weitere vier Wochen. So wird aus dem Urlaubsgefühl schon fast ein heimisches Gefühl. Sogar einen Biobauern finden wir, der uns wöchentlich eine Kiste mit Gemüse und Obst vorbeibringt. Wir lernen zunehmend Leute kennen, die es irgendwann hierher verschlagen hat und die noch immer hier sind.
Da ist zum Beispiel Fanny mit ihrer Farm, auf der so manches gerettete Tier leben darf. Hier tummeln sich Hunde, Katzen, Hühner, Schweine, Ziegen, Esel und Pferde. Die Pferde verdienen sich ihren Unterhalt mit Ausritten für Einheimische und Touristen, wovon ich sehr profitiere und nach einigen Ausritten quasi als „Co-Guide“ fungiere. Auch Kim und Alex hat es auf die Farm gezogen und sie sind geblieben. Beide konnten in Deutschland aufgrund der Pandemie nicht mehr in ihren Jobs arbeiten und helfen nun hier auf der Farm mit.

Trotz der sehr kargen Landschaft hat Fuerteventura für viele einen großen Reiz. Bizarre Küstenlandschaften wechseln sich mit Traumstränden ab. Den kilometerlangen Sandstränden im Süden ziehen wir allerdings die abwechslungsreiche Küstenregion im Nordwesten vor. Hier in El Cotillo haben wir die herrliche Badebucht La Concha zu unserem Lieblingsstrand erklärt. Denn hier lässt es sich auch bei mäßigem Wind noch halbwegs geschützt relaxen und baden. Auch der sogenannte „Popcornstrand“ El Majanicho weiter im Norden ist besonders. Hier gibt es Korallenformationen, die in der Tat wie Popcorn aussehen.
Wir durchwandern einige barrancos (Schluchten oder trockene Bachbetten) und bewundern bizarre Felsformationen. Bei einer Dünenwanderung an den Grandes Playas bei Corralejo kommen wir uns vor wie in der Wüste: Sand so weit das Auge reicht. Hier entdecken wir zum ersten Mal Steinburgen, in die man sich hinein legen kann und so vor dem Wind geschützt ist. Eine sehr praktische Einrichtung, die wir auch an anderen Stränden finden und sehr zu schätzen lernen.
Auch der alten Hauptstadt Betancuria statten wir einen Besuch ab. Das hübsche Städtchen liegt sehr malerisch in einer für hiesige Verhältnisse sehr grünen Landschaft.
Ganz im Süden schauen wir uns noch den bei Touristen besonders beliebten Strandort Morro Jable an und stellen fest, dass auch Willy Brandt schon hier seinen Urlaub verbrachte und per Gedenktafeln und Skulptur noch immer an ihn gedacht wird. Morro Jable ist vor allem wegen seines kilometerlangen Sandstrandes beliebt und liegt auf der Jandía Halbinsel.
In vergangenen Zeiten teilten die Ureinwohner Fuerteventuras, die Guanchen die Insel in zwei Königreiche, Maxorata im Norden und die Jandía Halbinsel im Süden, wobei Jandía den wesentlich kleineren Teil darstellt. Die Statuen der Könige Ayose und Guise besichtigen wir auf dem Weg nach Betancuria. Als Begrenzung gab es damals eine Mauer, nach der noch heute der Ort La Pared benannt ist, der genau auf der Grenze liegt. Hier genießen wir ein Picknick am beliebten Surferstrand und schauen den Wellen zu, auf die sich heute nicht einmal ein Surfer traut. Hier ist die Küste besonders spektakulär und vor allem der Kontrast der weißen Kreidefelsen und des schwarzen Sandstrandes begeistert uns. Etwas nördlich von La Pared liegt der Ort Ajuy, von dem aus wir eine kurze Küstenwanderung zu einer beeindruckenden Höhlenlandschaft unternehmen. Noch weiter nördlich gibt es ein weiteres Highlight, den Playa El Valle mit den Aguas Verdes. Kim empfahl mir, circa drei Stunden vor dem Tiefstand des Wassers dort zu sein. Wir halten uns an die Empfehlung, parken das Auto und gehen abwärts in eine kleine Bucht. Roland hat einige Leute über die angrenzenden Felsen klettern sehen. Wir klettern also hinterher und vor uns breiten sich einige natürliche Schwimmbecken aus, die in der Sonne tatsächlich grün schimmern. Heute ist es heiß und die eiskalte Abkühlung kommt wie gerufen. Roland kann sich gar nicht an den bunten Fischen sattsehen, die sich um uns herum tummeln. Wir sitzen noch etwas auf den warmen Steinen und beobachten, wie die Wellen einzelne Becken immer wieder mit Wasser füllen, sich aber allmählich zurückzuziehen und immer mehr Becken freigeben.
Das Inland ist von vielen kleinen Vulkankegeln zerklüftet, von denen wir einige besteigen und die phantastische Aussicht genießen. Bei gutem Wetter sieht man vom Norden aus Lanzarote und die kleine vor Fuerteventura liegende Isla de Lobos, der wir an unserem letzten Wochenende noch einen Besuch abstatten. Da es sich um ein Naturschutzgebiet handelt, dürfen pro Tag nur maximal 400 Personen auf die Insel. Also fahren wir mit Besuchsgenehmigung und Bootsticket ausgestattet zum Hafen in Corralejo und gehen an Board der Majorero. Wie immer gibt es Nachzügler und das Schiff wartet sogar. Allerdings wird unser schneidiger und sehr freundliche Bootsmann ungehalten, hüpft ungeduldig auf dem Dock herum und gestikuliert wütend in Richtung der im Schlenderschritt ankommenden Nachzügler. Wir sind ganz seiner Meinung. „Geht alles von unserer Zeit ab“, bemerkt Roland knapp. Dann geht es aber endlich los und wir sausen fünfzehn Minuten lang über das kristallklare türkisfarbene Wasser. Auf der Insel angekommen, schlendern die meisten Passagiere zum nahegelegenen Strand oder zu der kleinen Ansiedlung mit Fischern und Restaurant. Hier machen auch wir einen kurzen Picknick- und Fotostopp. Dann erwandern wir die Insel und sind begeistert von der Landschaft. Es geht vorbei an Lagunen zu einem kleinen Agavenwäldchen, zum Leuchtturm und schließlich zurück zum Strand, wo wir den Ausflug mit einem erfrischenden Bad im Meer ausklingen lassen. Die Rückfahrt nach Corralejo wird etwas ungemütlicher. Da das Meer unruhiger ist, müssen wir alle im überdachten Raum sitzen. Als das Boot ordentlich von einer Seite zur anderen schwankt, wird es den ersten schlecht und unser aufmerksamer Bootsmann rennt im Minutentakt, um Tüten und Papiertücher für die Seekranken zu holen. Bevor es uns vom Anblick der Misere übel werden kann, legen wir zum Glück schon wieder in Corralejo an und freuen uns über diesen gelungen Ausflugstag.
Auch Corralejo, dem etwas größeren Küstenort im Norden können wir einiges abgewinnen. Hier lässt es sich wunderbar an der Strandpromenade entlang flanieren, in eines der vielen Lokale einkehren oder durch Geschäfte bummeln. Besonders einladend ist das Einkaufszentrum El Campanario mit einem Glockenturm, den wir besteigen, um uns einen Überblick über den Ort zu verschaffen. Vor dem Einkaufszentrum bestaunen wir die bunte Skulptur MamAndYou, die eine „Anerkennung für unsere Mutter Erde [ist] und […] die Verbindung der Menschen mit der Natur symbolisieren [soll].“[1]

Trotzdem sind wir froh, El Cotillo als Standort gewählt zu haben. Hier ist es etwas heimeliger. Auch die Lokalauswahl lässt nichts zu wünschen übrig und es fällt uns eher schwer, ab und zu von unserem Lieblingslokal Olivo Corso abzuweichen. Hier hat es vor allem Roland die köstliche Tarte Tatin angetan.
Viel öfter, als essen zu gehen, kochen wir allerdings selbst. Die Fischauswahl im Supermarkt ist groß, so dass es oft eine Paella a la casa gibt. Auch in der Herstellung der hier so beliebten papas arrugadas (in viel Salz und wenig Wasser gekochte Kartoffeln) sind wir mittlerweile Experten. Im Museo del Queso in Antigua, welches wir bei einem Ausflug besichtigen, lernen wir so viel über den einheimischen Ziegenkäse, dass wir nur noch diesen kaufen. Die Auswahl reicht hier von Frischkäse über eine geräucherte Variante und verschiedene Reifegrade bis zur Variante mit Paprikahaut.
In El Cotillo finden wir sogar einen Friseurladen und machen ein gemeinsames Event aus einem Friseurbesuch. Roby und Glory sind ein Paar aus Verona, Italien. Er frisiert Männer, sie Frauen. So werden wir simultan bedient und sind fast auf die Sekunde gleichzeitig fertig.
Zwischen El Cotillo und Corralejo im Inland liegt Lajares. Auch hier gibt es ein reichhaltiges Angebot an Lokalen, von denen es uns vor allem die Paneteca angetan hat, in der es erstklassiges Brot gibt. Außerdem entdecken wir hier eine besonders malerische Mühle.

Nach neun Wochen Fuerteventura sind wir satt und zufrieden vom guten Essen und Wein, vom Wind und von der Sonne. Nach wie vor können wir unser Glück kaum fassen, das uns fünf wunderbare Monate auf Reisen in diesem von der Pandemie überschatteten Jahr 2021 beschert hat und freuen uns auch wieder ein kleines Bisschen auf daheim.

Sehr hilfreich für unsere Inselerkundung war die ausgesprochen gut gemachte Internetseite unaufschiebbar.de, ein sehr übersichtlicher und aktueller Online-Reiseführer. Die beiden digitalen Nomaden und Reiseblogger Jenny und Christian informierten auch tagesaktuell und sehr zuverlässig über die Situation rund um die Pandemie.


[1] https://www.unaufschiebbar.de/reiseziele/europa/kanarische-inseln/corralejo-fuerteventura/