Damoklesschwert

Die Vorzeichen sind denkbar ungünstig. Einige Tage vor Abflug wird bei Bauarbeiten ein Glasfaserkabel gekappt und legt die IT der Lufthansa lahm. Die in München tagende Sicherheitskonferenz blockiert große Teile der Stadt und das Bodenpersonal des Flughafens streikt. Natürlich handelt es sich bei der Gefahr, einen Urlaubsflug zu verpassen, um ein Luxusproblem, ein „Damoklesschwert“ eben. Aber da mich dieser Flug zu Roland bringen soll, von dem ich nun schon seit immerhin vier Wochen getrennt bin, da er den Winter auf Gran Canaria verbringt, liegt mir doch viel daran, am Sonntagmorgen in den Flieger zu steigen und loszufliegen. Vor lauter Aufregung wache ich in der Nacht zum Sonntag stündlich auf, stehe um vier auf und bin gute drei Stunden vor Abflug am Flughafen. Dort läuft dann alles wie geplant und ohne Probleme und ich habe reichlich Zeit, den Flughafen zu erkunden, bevor es pünktlich losgeht. Als der Flieger dann durch die dicke Wolkendecke bricht und darüber im gleißenden Sonnenlicht schwebt, summe ich vor mich hin: „Über den Wolken…“, lehne mich zurück und bin im Urlaub.

Weit weg und doch daheim

Das Szenario ist uns schon bekannt: Roland holt mich vom Flughafen ab und wir fahren mit dem Mietwagen, den er für diese Woche gemietet hat, in sein Winterdomizil in Las Palmas de Gran Canaria, genauso wie vor sieben Jahren. Nun nutzen wir die gemeinsame Woche für Ausflüge und kulinarische Genüsse, teilweise Wiederholungen, aber größtenteils Neuentdeckungen.

Die Suche nach einem Lokal, das uns damals gut gefiel, wird zu einem Detektivspiel, in dessen Verlauf wir feststellen, dass es das Lokal so nicht mehr gibt, beziehungsweise es dort nun eines gibt, das dem uns bekannten leider bei weitem nicht das Wasser, beziehungsweise Sushi reichen kann. Dafür entdecken wir einige neue, die uns begeistern.

Sushi auf Gran Canaria? Ja richtig, Las Palmas präsentiert sich sehr international. Eigentlich bevorzugen wir im Urlaub die landestypische Küche, aber ab und zu überkommt uns dann doch das Bedürfnis nach Abwechselung. Diesmal entdecken wir auffallend viele Lokale mit argentinischem Einschlag. Ich recherchiere, finde aber nichts bezüglich einer besonderen Beziehung zwischen Argentinien und den kanarischen Inseln. Ein argentinischer Lokalbesitzer erzählt uns, dass er vor vielen Jahren mit seinem Bruder nach Gran Canaria reiste und sie sich dann entschieden zu bleiben, weil es ihnen gefiel. Seine Frau stammt von der Insel. Vielleicht hatte also auch Amor seinen Pfeil mit im Spiel.

Die Wanderung durch die Sanddünen und am Strand von Maspalomas im Süden der Insel ist eine Wiederholung, aber auch ein Muss, weil sie gar so schön ist. Die Sonne lacht, so dass sogar ein kurzes Bad im Meer drin ist. Am Ziel der Wanderung erwartet uns Fisch vom Grill mit „papas arrugadas“, ein Highlight und absolut landestypisch. Am nächsten Tag zieht es uns in die Berge und wir erklimmen einen kleinen Gipfel bei kaltem Wind und gelegentlichen Regenschauern. Kontrastprogramm muss sein. Der Weg ist spannend und die Vegetation frisch und grün, die Aussicht etwas wolkenverhangen, aber trotzdem lohnenswert. Auch ein Stadtbummel durch das historische und recht malerische Viertel „la Vegueta“ darf nicht fehlen. Auch hier stören uns ein paar Regenschauer nicht. Und dann wollen wir es wissen. Trotz gemischter und etwas unsicherer Wetterlage machen wir einen Ausflug zu den Meeresschwimmbecken „Los Charcones de Bañaderos“ unweit der Hauptstadt Las Palmas im Norden der Insel. Der Ausflug erweist sich als recht spektakulär, das Wetter, wie vorhergesagt, gemischt mit Sonne, Wind und etwas Regen. Trotzdem wagen wir ein Bad im Becken, als die Flutwellen schon den Rand des Naturbeckens überspülen und das Becken kaum noch als solches erkennbar ist, die perfekte Gegenstromanlage. Am letzten Tag gelingt es uns, das Badeerlebnis mit einem Spaziergang an der schönen Promenade von „Playa de Agustín“ bis „Playa del Inglés“ mit zwei Badezwischenstopps zu toppen. Das Wetter zeigt sich zum Abschied von seiner besten Seite: Sonne satt!

Und dann wird es für mich leider schon wieder Zeit die Koffer zu packen und zurück in den Winter zu fliegen.

Anmerkungen von Roland

Überwintern auf Gran Canaria

„Überwinterung” ist bei einem Aufenthalt von sechs Wochen (Ende Januar bis Anfang März) vielleicht ein wenig hoch gegriffen. Sagen wir, es ist ein kleiner Standortwechsel in wärmere Gefilde. Schon 2010, als ich das erste Mal das Büro für ein paar Wochen verlegte, war ich auf einer der Kanarischen Inseln, auf La Palma. Mittlerweile hat sich eine gewisse Routine entwickelt, zumal ich die Hauptstadt Las Palmas de Gran Canaria bereits vom Aufenthalt 2016 kenne. Ich entschied mich dafür, weil ich die Stadt als angenehm empfand, sie nicht nur auf Tourismus basiert und die kilometerlange Strandpromenade Las Canteras sowie deren Verlängerung nach Norden auf La Isleta immer zu einem Spaziergang einladen.
Die Erreichbarkeit ist sehr gut, – man fliegt von München aus in viereinhalb Stunden, nimmt am Flughafen den Bus der Linie 60, der in einer halben Stunde den Parque Santa Catalina in der Stadt erreicht und schon befindet man sich im milden Klima Gran Canarias mit ganzjährig angenehmen Temperaturen zwischen 18°C und 26°C.
Las Palmas bietet eine umfassende Infrastruktur mit Restaurants, Supermärkten, Sehenswürdigkeiten und eine recht entspannte Atmosphäre, jedenfalls im Vergleich zu München. Strand und Meer gibt es in zwei Himmelsrichtungen: im Westen der Sandstrand mit Promenade, im Osten der Hafen und die Stadtautobahn nach Süden. Auch auf der Hafenseite gibt es eine moderne kilometerlange Promenade in den Süden mit schönem Blick auf den Industrie- und Jachthafen.

In den ersten drei Wochen leihe ich mir ein Mountainbike, um einige Touren in die Umgebung zu unternehmen. Ich habe Glück und bekomme ein fabrikneues KTM Ultra Sport mit 29″ Reifen, das der Fahrradverleih selbst erst einen Tag vorher erhalten hat. Das Besondere daran ist für mich die moderne Schaltung: Vorne mit nur einem Kettenblatt, hinten dafür mit elf Ritzeln. Dieses Prinzip ist mir neu, finde das Fahren damit aber sehr angenehm. Der Name Ultra Sport ist dann auch ein wenig Herausforderung und ich schaffe auf der längsten Tour in den Ort Teror immerhin 1.000 Höhenmeter. Die erste Fahrt zum Eingewöhnen geht in den Botanischen Garten Jardín Canario, aber auch dorthin gibt es bereits einige heftige Steigungen. Landschaftlich am schönsten ist die Bike & Hike Tour in den Naturpark Bandamas. Der Rundweg um den Krater ist ein Highlight, den wir bereits von 2016 kennen.