„Der Sinn des Reisens besteht darin, unsere Fantasien durch die Wirklichkeit zu korrigieren. Statt uns die Welt vorzustellen, wie sein könnte, sehen wir sie, wie sie ist.“
Samuel Johnson (1696 – 1772)

Port Elizabeth ist unser Standort, um den Addo Elephant Park zu besuchen. Für diesen nehmen wir uns einen ganzen Tag Zeit und er ist das Highlight an der Wild Coast. Wir haben uns für diesen Park entschieden, weil man ihn auf eigene Faust mit dem Mietwagen erkunden kann und keine Safari buchen muss. Also fahren wir im Schritttempo über die Sandpisten und schauen angestrengt nach allen Seiten, um ja kein Tier zu verpassen. Dann sehen wir die ersten Antilopenarten: Red Hartebeests und Kudus, außerdem einige Warzenschweine. An einem Wasserloch bietet sich uns dann ein so beeindruckender Anblick, dass wir uns kaum wieder losreißen können: Eine ganze Elefantenherde planscht am Wasser. Die kleinen spielen und wälzen sich im Schlamm, während die Mutterkühe mit Wasser spritzen und die Bullen ihre Herde bewachen. Währenddessen kommen aus allen Richtungen immer mehr ganze Herden und begeben sich in der Nähe in Warteposition. Sobald eine Herde das Wasserloch verlässt, wird sie von den Wartenden abgelöst und das Schauspiel beginnt von vorne. Auch die Warzenschweine müssen sich anstellen, bis sie ans Wasserloch dürfen. Schließlich reißen wir uns doch los und fahren weiter. Nach wenigen Kilometern bietet sich uns der nächste unvergessliche Anblick: Wir dürfen eine kleine Zebraherde aus nächster Nähe betrachten und sind ganz bezaubert ob der Schönheit dieser Tiere. Eine Wildkatze bekommen wir nicht zu Gesicht. Derer gibt es in diesem Park auch nur wenige. Zufrieden mit unserer Fotoausbeute und beseelt von den schönen Anblicken verlassen wir den Park und lassen den Tag in unserem Apartment mit Blick auf den Hafen von Port Elizabeth ausklingen.

Am nächsten Tag geht es weiter zu unserer nächsten Station East London. Schon auf dem Weg bekommen wir einen Eindruck von der wilden Küstenlandschaft. Immer wieder fließt ein Fluss ins Meer, teilt einen Strand, oder fließt durch eine von hohen Felsen gesäumte Schlucht. Die urwaldähnliche üppige Vegetation reicht bis an die Küste.
Auch unser Cottage in East London liegt in der Nähe eines Flusses und in der Nähe eines dieser unendlich langen Sandstrände. Mit dieser Unterkunft haben wir einen Volltreffer gelandet und halten es dort auch an Regentagen bestens aus. Das Haus wird von einem Lehrerpaar vermietet, das gerade in Mozambique lebt. Sehr am Herzen liegt ihnen die Sicherheit ihrer Mieter. Das Haus ist dermaßen gut abgesichert, dass wir uns etwas schwer damit tun, hineinzukommen. Allerdings ist es unser Fehler, da wir wesentliche Details in der ausführlichen Check-In-Anleitung übersehen. Als wir den Schlüssel endlich mittels Code aus seiner Lockbox befreit haben, stürmen wir ganz euphorisch ins Haus und lösen die Alarmanlage aus. Zum Glück kommt sofort der Nachbar gelaufen und hilft uns, sie wieder abzustellen. Nach einem weiteren Fehlalarm mitten in der Nacht, pfeifen wir auf die Sicherheit und lassen die Alarmanlage aus.
Das Klima verändert sich zunehmend, je weiter nördlich wir reisen. Es wird tropischer, warm und feucht.
Am ersten Tag erkunden wir unsere Umgebung und unternehmen eine Strandwanderung. Es ist so windig, dass wir uns wie Wüstenwanderer fühlen. Hinter einer Sanddüne entdecken wir Teile eines Walskelettes. Leider stranden die großen Säuger hierzulande oft und sterben. Man konnte noch nicht herausfinden, was sie an den Strand treibt.

Da uns die Stadt East London nicht sehr attraktiv erscheint, machen wir Ausflüge an der Küste. Wir wollen ja schließlich die Wild Coast entdecken. Aber auch der Küstenort Cintsa gibt nicht viel her. Er besteht hauptsächlich aus gut verriegelten Feriensiedlungen. Immerhin gibt es dort die Emeraldvale Brewery, eine Bierbrauerei mit Restaurant, in der wir die besten Burger unseres bisherigen Daseins essen. Ein Ausflug nach Kei Mouth ist dann ein echtes Highlight. Ausnahmsweise trennen wir uns: Während Roland wandert und das Glück hat, wilde Affen und Delphine zu sehen, nehme ich an einem Ausritt teil und galoppiere am langen Sandstrand der Morgan Bay entlang. Sehr zufrieden und hungrig treffen wir uns mittags wieder und wiederholen die gute Erfahrung vom Vortag in der Emeraldvale Brewery. Anschließend gehen wir noch einmal an „unseren“ Strand. Hier bietet sich uns ein Anblick, der jeder Beschreibung spottet. Parkplatz, Flussufer und Strand haben sich in eine Partymeile verwandelt. Es ist Sonntag und es scheinen alle hier zu sein. Autos parken dicht an dicht, dazwischen drängen sich Menschen um die aufgebauten Grills. Aus den Autolautsprechern tönt Musik, zu der hier und da getanzt wird. Covid ist kein Thema. Wir schlagen uns durch die Menge, suchen eine etwas ruhigere Stelle am Strand, wo ich mich kurz in die Brandung stürzen kann und fliehen anschließend in unsere Unterkunft, um dort den gelungenen Tag zu beschließen.

Auf dem Weg zu unserer nächsten Station Port St. Johns machen wir einen kurzen Boxenstopp in Mthata (sprich: Umthata). Kurz vorher im Dorf Qunu, Nelson Mandelas Geburtsort wollen wir uns das Nelson Mandela Museum anschauen. Doch leider stehen wir vor verschlossenen Toren und ein junger Mann erklärt uns in gebrochenem Englisch, dass wohl gerade gebaut oder renoviert wird.

Schon seit Port Elizabeth verändert sich das Landschaftsbild zunehmend. Die Orte werden ärmer, die Infrastruktur nimmt ab. Immer wieder passieren wir einfache Siedlungen aus kleinen Wellblechhütten. Hier ist die Suche nach einem netten Ort mit hippen Cafés vergeblich. Einheimische laufen kilometerlang an der Schnellstraße entlang. Fahren wir durch einen Ort, wird es zuweilen chaotisch: Autos bleiben vor Geschäften mitten auf der Straße stehen und blockieren den Verkehr. Irgendwie entwirrt sich das Chaos aber wieder und es geht weiter. Auf der Schnellstraße ist dagegen eher wenig los und es fährt sich recht entspannt. Da auch Mthata kein schöner Ort und ungeeignet für eine Kaffeepause ist, fahren wir durch bis Port St. Johns. Hier beziehen wir unser Zimmer in einer Lodge direkt am Fluss und sind in einer anderen Welt. Die Besitzer stammen aus Durban, sehen aber indisch aus und haben auch indische Vorfahren. Die Lodge haben sie ganz im indonesischen Stil eingerichtet. Uns wird die Executive Suite zugewiesen und wir fühlen uns sehr an unseren Aufenthalt in Bali erinnert.
Ein Erkundungsspaziergang in den Ort bringt uns allerdings schnell nach Afrika zurück. Menschen drängen sich auf den Gehwegen vor kleinen Kiosken, einfachen Bars, oder um provisorisch aufgebaute Verkaufsstände herum. Die wenigen Restaurants gehören Fastfoodketten an. Auf der Straße liegt Müll. Auf einem zentralen Platz stehen die für Südafrika typischen Kleinbusse, die als Sammeltaxis fungieren. Weiße oder Touristen sieht man hier kaum. Dementsprechend fallen wir auf wie bunte Hunde und werden neugierig gemustert. Insgesamt wirkt der Ort sehr heruntergekommen und gar nicht wie das im Internet gepriesene Urlaubsparadies. Trotzdem genießen wir unsere Zeit hier, was nicht zuletzt an der ausgesprochen guten Küche des Restaurants in unserer Unterkunft liegt. Zudem sind einige Ausflüge in die nahe Umgebung durchaus lohnenswert. So spazieren wir zum Leuchtturm von Port St. John’s und entdecken einen Traumstrand im Silaka Wildlife Reserve. Einer Empfehlung unseres Gastgebers folgend, fahren wir auf einen über dem Ort liegenden Berg auf einen Flugplatz und sind ganz berauscht ob der Aussicht, die sich uns bietet. Ja, jetzt verstehen wir die Beschreibung von Port St. Johns als „Perle der Wild Coast“, ein Foto El Dorado für Roland.

Ein großes Thema sind hier, wie in ganz Südafrika, die ständigen Stromausfälle. Einige Gegenden trifft es fast täglich. Wer es sich leisten kann, hat einen eigenen Generator, um sich selbst mit Strom zu versorgen. Ansonsten heißt es, warten, bis der Strom wieder fließt. Begründet werden die Ausfälle mit notwendigen Reparaturen, aber die Bevölkerung fühlt sich schikaniert, da der Zustand schon seit Jahren anhält.

Schließlich verlassen wir die wildromantische Landschaft und fahren in die Großstadt Durban. Hier statten wir dem Botanischen Garten einen Besuch ab und sind vor allem von den bunten Eukalyptusbäumen und den Lotusblüten begeistert. Außerdem können wir einige Hochzeitsgesellschaften beobachten, traditionell afrikanische und indische. Der indische Einfluss ist in Durban allgegenwärtig.
Ein Bummel durch eine Restaurantmeile erinnert sehr an amerikanische Verhältnisse. Auch hier vermissen wir eine ansprechende urbane Infrastruktur. Ein Marsch an den Strand ist kein Vergnügen, da es ausschließlich große für den Autoverkehr ausgerichtete Hauptstraßen gibt. Leider ist der Strand erschreckend vermüllt und von Bausünden gesäumt, die an diejenigen an Spaniens Küsten erinnern.

Unser Aufenthalt in Durban ist kurz und nun sind wir sehr gespannt auf Johannesburg. Die Fahrt ist lang, aber es geht durch eine unerwartet schöne üppig grüne Landschaft.

Unsere Unterkunft befindet sich in Maboneng, einem ehemals berühmt berüchtigten, mittlerweile hippen Künstlerviertel. Bei unserer Ankunft finden wir eher ersteres zutreffend. Da wir in Johannesburg nicht mit unserem Mietwagen herumfahren wollen, geben wir ihn am Flughafen ab und nehmen ein Uber Taxi zu unserer Unterkunft. Als unser Fahrer uns beim Ausladen hilft, gibt es ein kurzes Handgemenge. Aus einem vorbeifahrenden Auto hängt sich der Beifahrer aus der offenen Autotür und versucht, unserem Fahrer das Handy aus der Hosentasche zu ziehen. Dieser reagiert aber schnell und der Versuch missglückt. Francy, die uns die Wohnung übergibt, führt uns schnell ins Haus. Bei unserem ersten Erkundungsgang ist uns noch etwas mulmig und wieder gelingt es uns nicht, unauffällig in der Menge unterzutauchen. Auch hier machen wir die Erfahrung, dass man zu Fuß nicht wirklich weit kommt. Immerhin entdecken wir noch einen sehr ansprechenden kleinen Galerien- und Restaurantkomplex im Studentenviertel Braamfontein und Maboneng zeigt sich am Wochenende von seiner hippen Seite. Plötzlich ist es sehr belebt, laut und bunt. Auch hier haben wir wieder eine ganz besondere Unterkunft erwischt, ein großzügiges Loft. Lofts sind hier offensichtlich sehr beliebt. Denn es gibt viele zu mieten. Richtig warm werden wir aber nicht mit Johannesburg und sind an unserem letzten Tag hier nicht allzu traurig.

Wir hatten eine schöne, erfüllte Zeit in Südafrika. Jeder Ort hatte etwas Besonderes und wir sind unendlich dankbar, um so viele wertvolle Erfahrungen reicher zu sein, vor allem in dieser Zeit. Und nun sind wir bereit für unser nächstes Ziel, die kanarische Insel Fuerteventura.