Zurück in Tiflis, bleibt uns etwas Zeit, die Erlebnisse diesen Urlaubs zu verarbeiten und einige Themen noch einmal näher zu betrachten.

Zum Beispiel hat Georgien kulinarisch wirklich viel zu bieten.
Erst Anfang diesen Jahres haben wir zum ersten Mal einen georgischen Wein probiert und waren begeistert. Aber dass die Weinkultur ihren Ursprung in Georgien und damit eine 8.000 Jahre alte Tradition hat, erfahren wir erst hier.
Auf einem Ausflug in die Weinregion Kachetien lassen wir uns durch ein Weingut führen und erfahren, wie der georgische Wein traditionell hergestellt wird. Nach dem Stampfen werden die Trauben mit Stumpf und Stil in Keramikfässern fermentiert. Der Prozess ist abgeschlossen, wenn sich alle festen Bestandteile vom Saft getrennt haben und auf den Boden gesunken sind. Dann wird der Wein abgefüllt oder weiter in Eichenfässern gelagert.
So ist der Weißwein hier bernsteinfarben und der Rotwein fast schwarz und mitunter leicht dickflüssig. Uns hat es vor allem die rote Saperavi Traube angetan.
Im gleichen Weingut erfahren wir auch, wie das traditionelle Brot Shoti hergestellt wird. In einem runden Lehmofen wird ein offenes Feuer entfacht. Ist der Ofen heiß, werden die Teigfladen an die Innenwand des Ofens gedrückt. Dabei vollführt der Bäcker einen regelrechten Stunt, da er sich mit dem Oberkörper tief in den heißen Ofen hängen muss. Es entstehen köstliche knusprig fluffige Fladenbrote, wenn sie einem nicht ins Feuer fallen. Unsere nette Führerin erzählt uns, dass ihr das immer passiere. Aber sie ist ja keine Bäckerin. Einmal in Achalziche haben  wir Glück und können bei einem Bäcker ein Shoti direkt aus dem Ofen kaufen. Es ist so heiß, dass ich es kaum halten kann und wir müssen es sofort anbeißen.
Für Gebäck haben die Georgier überhaupt eine Vorliebe. So gibt es Khachapuri, eine Art Pizzabrot mit Käse in verschiedenen Teigvarianten, eine sehr sättigende Angelegenheit. Lobiani ist eine Variante mit Bohnen, die wir allerdings nicht probiert haben.
Sehr angetan haben es uns die Khinkali, die georgischen Maultaschen. Es gibt sie mit verschiedenen Fleischfüllungen oder in vegetarischen Varianten mit Käse oder Pilzen. Da die Füllung in der Teigtasche gegart wird, entsteht innerhalb eine kräftige Brühe, die der geübte Khinkalivertilger kunstvoll aussaugt, ohne einen Tropfen zu vergeuden. Dafür wird die Khinkali am Knoten festgehalten oder auf eine Gabel gespießt und vorsichtig in die Teigtasche gebissen. Der Knoten wird nicht mitgegessen, damit man am Ende zählen kann, wie viele Khinkali man verzehrt hat. Nachdem wir uns beim ersten Mal Khinkali essen recht stümperhaft verhalten und alles falsch gemacht haben, was man falsch machen kann – die Teigtaschen mit Messer und Gabel zerschnitte, dabei die Brühe herauslaufen lassen und den Knoten mitgegessen – sind wir am letzten Abend so geübt, dass unsere Teller fast sauber bleiben, bis auf die ordentlich abgenagten und aufgereihten Knoten. Was uns bei den Einheimischen allerdings sehr verwundert und sogar verärgert, ist die notorische Angewohnheit viel zu viele Khinkali zu bestellen und mindestens die Hälfte dieses köstlichen und sehr nahrhaften Gerichts übrigzulassen. Wie viele Lebewesen könnte man damit ernähren!
Weitere Fleischspezialitäten sind Kabab, eine gebratene Hackfleischrolle, mit oder ohne Tomatensauce, pur, oder in ein dünnes Fladenbrot gewickelt – In einem guten Restaurant ist die Tomatensauce hausgemacht und pikant. – und Mtsvadi, gegrillte Fleischspieße aus Huhn, Schwein oder Kalb. Oft gibt es auch eine vegetarische Variante, meist mit Pilzen.
Überhaupt gibt es für Vegetarier eine große Auswahl in der georgischen Küche. Alleine an den Vorspeisen kann man sich mehr als satt essen. Uns haben es hier besonders die gebratenen Auberginen mit Walnusssoße oder Spinat mit Walnüssen angetan. Außerdem gibt es verschieden Kreationen mit roter Beete, Pilzen, Tomaten. Originell sind immer die Gewürze und Kräuter. In Georgien kocht man gerne pikant und mit Koriander oder Petersilie. Walnüsse und Granatapfelkerne spielen oft mindestens eine Nebenrolle. Zu Mtsvadi wird auf Wunsch Tkmali gereicht, eine Soße aus Kirschpflaumen. Außerdem gibt es sehr schmackhafte Suppen und Eintöpfe mit Huhn, Fleisch oder Gemüse.
Grundsätzlich gibt es keine kompletten Tellergerichte, sondern Fleisch, Gemüse, Beilagen, Saucen etc. separat und in großen Portionen. Deshalb wird in der Regel alles, was bestellt wird, geteilt. Man kann sich also sehr individuell ernähren, kohlenhydratreich oder -arm, fleischlastig oder vegetarisch. Sogar vegan ist in jedem Lokal gut möglich.
Desserts sind in Georgien weniger üblich, aber es gibt natürlich Süßes für zwischendurch. Vor allem Nüsse und Trockenfrüchte findet man auf den Märkten en masse. Besonders interessant und vollkommen neu ist uns Tschutschchela, ein Konfekt hergestellt aus Wal- oder Haselnüssen mit Traubensaft-Kuvertüre überzogen. Da kein Zucker beigemischt wird, ist das Konfekt nicht süß, schmeckt aber köstlich zu Wein und Käse.
Die georgischen Torten treffen nicht unseren Geschmack. Sie sehen aus wie aus Kunststoff, dick mit bunten Glasuren überzogen. Da halten wir uns lieber an das süße Gebäck, dass man aus der Türkei als Baklava kennt.
Auch der Kaffee wird in Georgien auf türkische Art gekocht. Dafür werden die gerösteten Kaffeebohnen zu Staub zermahlen und dann mit Zucker und Wasser in einem kleinen Kännchen gekocht. Danach wird er in kleine Tassen gegossen und sehr heiß getrunken. Der Satz bleibt in der Tasse zurück. Mittlerweile ist auch der Cappuccino sehr verbreitet, so wie überall in sehr unterschiedlicher Qualität.
Bei unserem Ausflug in die Weinregion Kachetien bestellen wir in einem Café in Telavi einen großen und einen kleinen Cappuccino. In den Vorgarten, in dem wir sitzen, führen einige Treppenstufen. Eine sehr junge Frau in Schuhen mit einer fünf Zentimeter hohen Plateausohle trägt die erste für uns bestimmte Tasse die Stufen hinunter. Dabei hält sie Untertasse und Tasse mit beiden Händen fest und wankt, ohne den Blick von der Tasse zu wenden die Stufen hinunter. Wir können nur schwer den Impuls unterdrücken, ihr zur Hilfe zu eilen. Aber sie lächelt und setzt die Tasse vor uns ab, eine eher kleine Kaffeetasse mit einer braunen Brühe und einer Spur Milch. Dies sei der große Cappuccino. Die gleiche Prozedur wiederholt sich. Diesmal trägt sie eine Espressotasse die gefährlichen Stufen hinunter. Das ist also der kleine Cappuccino. In dieser Tasse ist mehr Wasser als Kaffee und noch weniger Milch. Von Schaum in beiden Tassen keine Spur. Wir trinken schlückchenweise und verziehen die Gesichter. Wir hätten doch einfach türkischen Kaffee bestellen sollen. Da stürmt ein Mann aus dem Lokal an unseren Tisch und sagt: “I believe your coffee tastes really bad.” “Well, to tell you the truth, yes it does.” Er entschuldigt sich ausgiebig, das Mädel hätte heute erst angefangen, er könne einen richtigen Cappuccino machen und er würde uns sofort zwei solche bringen. Das tut er dann auch, obwohl wir dem Mädel zuliebe sogar die Brühe getrunken hätten. Es fängt ja schließlich jeder mal an.

Nebenbei sei erwähnt, dass man in Georgien für unsere Verhältnisse (noch) sehr preisgünstig leben kann. Unterkünfte und Lebensmittel sind sehr viel billiger, als wir es aus Europa gewohnt sind. Die Währung ist der georgische Lari. Mittlerweile kommt man aber auch in Georgien nahezu ohne Bargeld aus, da man fast überall mit einer Kreditkarte zahlen kann. Obwohl wir die Georgier als grundsätzlich ehrlich und friedfertig erlebt haben, empfiehlt es sich doch, an Straßenständen oder am Markt den Preis im Vorhinein zu erfragen und sich nicht zu grämen, wenn man als Tourist etwas mehr bezahlt als die Einheimischen. Letztendlich kommt ja sowieso alles aufs Karmakonto.

Ein weiteres, leider teilweise sehr bedrückendes Thema sind die Tiere in Georgien. Ganz amüsant ist die Freiheit, die Kühe, Schweine und Pferde genießen. Sie laufen frei herum, auf Wiesen und Feldern, am Straßenrand, auf der Straße und benutzen nur selten den Zebrastreifen. So kommt es vor, dass man auf einer Landstraße einer Kuh, einer Kuhherde oder einem Schwein ausweichen muss.
Sehr bedrückend dagegen ist die große Anzahl an Straßenhunden und -katzen. Bis auf unsere erste Erfahrung am Morgen unserer Ankunft in Tiflis haben wir die Hunde nie aggressiv erlebt, sondern vorsichtig zurückhaltend. Oft begleitet uns ein Vierbeiner auf einem Stück unseres Weges. Manchmal kommt einer mit bis zum Auto und aus den treuherzigen Augen spricht der Wunsch mitgenommen zu werden. Herzzerreißend sind die vielen mutterlosen Welpen und Babykatzen. Immerhin gibt es eine Organisation, die Hunde von der Straße holt und kastriert, damit sie sich nicht weiter vermehren. Diese Hunde erkennt man durch einen Knopf im Ohr. Sehr beeindruckt hat uns ein Hundeasyl in Tiflis. Ich habe etwas über den Gründer und die Geschichte des Asyls gelesen und bin sehr interessiert: http://hundeasyl-tamaz-elizbarashvilis. An unserem vorletzten Tag in Tiflis fahren wir hin und schauen es uns an. Der Gründer Tamaz Elizbarashvili begrüßt uns. Er ist sehr klar und bestimmt. Er spreche nur Georgisch und Russisch, könne uns aber das Asyl zeigen. (Mittlerweile funktioniert die Verständigung mit Händen und Füßen recht gut.) Zügig laufen wir durch die Anlage und sehen Hunde aller Art, jung, alt, krank, Welpen und zwei Braunbären. Sie sind in sauberen geräumigen Gehegen und werden versorgt. Tamaz Elizbarashvili begleitet uns zurück zum Eingang, schließt die Tür, schnappt sich eine Schubkarre und geht wieder an die Arbeit. Während wir noch an unserem Auto stehen, kommt eine Familie. Tamaz Elizbarashvili unterbricht seine Arbeit wieder, begrüßt sie und führt sie zu den Welpen. Sie werden sich wohl einen aussuchen und mit nach Hause nehmen. Ein Lichtblick.

Was bleibt?
Georgien ist ein schönes Land, irgendwo zwischen Umbruch und Aufbau, ein kleines Paradies zwischen Europa und Orient, friedlich, mit üppiger Natur und ehrlichen Menschen, auf jeden Fall eine Reise wert!