„Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit. Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.“
Perikles (inspiriert durch Stefan Kober)

In Hout Bay beziehen wir ein wunderschönes Holzhaus inmitten eines wildromantischen grünen Gartens. Sogar einen Pool haben wir hier und lassen erst einmal eine Woche lang die Seele baumeln. Das heißt, ich lasse die Seele baumeln, während sich Roland in die Arbeit stürzt, Webseiten und Shops repariert und aufpoliert und Telefonate und Online Meetings führt.
Nach der eher städtischen Unterkunft in Sea Point ist dieses Haus inmitten der Natur ein wahres Refugium. Hier hören wir tagsüber die Vögel zwitschern und nachts den Wind rauschen. Dieser wächst sich nicht selten zu einem wahren Sturm aus, rüttelt am Haus und lässt alles, was nicht niet– und nagelfest ist, schlagen und poltern, was uns einige nächtliche Schrecksekunden erleben lässt. Doch bald gewöhnen wir uns an die wilde Natur und wollen gar nicht mehr darauf verzichten.

Nach einigen Tagen Faulenzen und Arbeiten zieht es uns wieder auf Entdeckungstour und wir nehmen uns den Chapman’s Peak vor. Über einen steinigen und recht steilen Pfad geht es durch malerischen Fynbos bis zum Gipfel. Wir kommen nur sehr langsam voran, da wir uns nicht sattsehen können am atemberaubenden Ausblick über den Nordhoek Strand. Oben angekommen, überblicken wir einen Großteil der Kapregion und sind ganz berauscht ob der Weite und dem Freiheitsgefühl, das dieser Anblick auslöst. Dann wandern wir am Hang an der Küste entlang zurück nach Hout Bay.

Kaum sind wir ein paar Tage in Hout Bay, werden die Corona Beschränkungen gelockert. Ab dem zweiten Februar darf wieder Alkohol konsumiert und verkauft werden, die Strände sind wieder zugänglich und die Ausgangssperre gilt nur noch von 23 bis um vier Uhr. Präsident Cyril Rhamosa begründet die Lockerungen mit sinkenden Infektionszahlen, dem Darniederliegen Südafrikas Wirtschaft und seiner starken Abhängigkeit vom Tourismus. Vor allem das Alkoholverbot, beziehungsweise dessen Aufhebung sorgen unter Politikern und Medizinern für heiße Debatten. Auch hier in Südafrika kämpft man um eine Balance zwischen dem Gesundheitsschutz und dem wirtschaftlichen Wohlergehen.
Wir begrüßen vor allem die Öffnung der Strände und freuen uns auf eine Wanderung am Strand von Nordhoek. Da es oft windig, das Wasser eiskalt ist und vor Haien gewarnt wird, laden die Strände hierzulande sowieso eher zum Spazieren auf Abstand als zum Baden und Verweilen ein.

Und dann sind wir auch schon unterwegs am Strand von Nordhoek. Vor uns vier Kilometer Sand, rechts von uns türkisblaues Wasser, die Gischt der Wellen spielt um unsere Füße. So ähnlich könnte es im Paradies aussehen. Diesmal kommen wir nicht ganz bis zum nächsten Ort Kommetjie. Denn trotz meiner Abenteuerlust überfraut mich doch ab und an die Hasenfüßigkeit. So auch heute: Der Strand ist sehr einsam, zu einsam. Vor Überfällen vor allem in der Gegend um das alte Schiffswrack herum wird ausdrücklich gewarnt. Das Schiffswrack haben wir gerade passiert, als sich zwei dunkle Gestalten von den Felsen vor uns erheben und in unsere Richtung schlendern. Für mich ein klares Zeichen, den geordneten Rückzug anzutreten. Wir brechen also unseren Spaziergang ab und kehren um. So schön ein einsamer Strand ist, finde ich es doch sehr beruhigend, als wir endlich wieder den vereinzelten Hundebesitzern und ihren vierbeinigen Gefährten begegnen und schließlich wieder unversehrt in Nordhoek ankommen. Da der Tag noch jung ist, schließen wir einen Bummel durchs Nordhoek Farm Village weiter oben im Ort an. Dort lassen wir uns in The Foodbarn einen Mittagsimbiss schmecken, bummeln durch die Geschäfte, derer es hier eine kleine erlesene Auswahl gibt und beschließen den Ausflug mit Kaffee und Kuchen im Café Roux. Mittlerweile werden schon die Stände für den Markt aufgebaut, der hier immer, beziehungsweise seit den Lockerungen wieder mittwochs stattfindet. Da es sich aber in erster Linie um Fressstände handelt und wir unseren Nahrungsbedarf schon mehr als reichlich gedeckt haben, rufen wir ein Uber Taxi und fahren wieder heim in unser Refugium.
Schon am nächsten Tag zieht es uns allerdings wieder nach Nordhoek. Denn wir haben ein Picknick im Capepoint Vineyards gebucht. Dieses genießen wir dann mit einer extra Portion Austern und einer guten Flasche Weißwein auf der Wiese an einem kleinen See mit Blick auf den abscheulich schönen Strand von Nordhoek. Es muss mehrere Paradiese geben.
Nach diesen Tagen voller Genuss folgt wieder eine Phase von Vollzeitarbeit für Roland und Hausarbeit in herrlicher Umgebung – Noch nie habe ich so gerne gekocht und Wäsche gewaschen wie hier. – und entspanntem Dasein für mich.

Doch schon bald folgt die nächste Herausforderung. Wir nehmen uns den Judas Peak, einen Berggipfel der Bergkette Die zwölf Apostel vor. Wir klettern durch die Myburgh’s Waterfall Ravine und speichern die Wanderung ab unter denen, die wir höchstwahrscheinlich nicht unternommen hätten, hätten wir vorher gewusst, was uns erwartet. Oft denken wir an unseren wander- und kletterbegeisterten Freund Robin, dem das hier sicher reichlich Spaß bereiten würde. Auch wir haben Spaß und freuen uns über die abwechslungsreiche Strecke und die malerische Kulisse, aber kurz vor dem Gipfel erfahren wir dann, was es wirklich heißt, aufeinander angewiesen zu sein. Nur noch ein zu erklimmender Felsblock trennt uns vom Gipfel, aber der Abstand zum darunter liegenden Felsen ist zu groß, als dass einer von uns ihn allein überwinden könnte. Also hänge ich mich etwas unelegant an den Felsen und Roland schiebt mich hoch. Aber wie kommt Roland jetzt hoch? Ich schlage vor, erstmal zu schauen, ob sich der Ausblick wirklich lohnt. Als ich aufstehe und mich umdrehe, verschlägt es mir buchstäblich den Atem. Und ob er sich lohnt. „Also los, ich ziehe dich hoch.“ Roland befürchtet zunächst, ich hätte nicht genug Kraft, um ihn zu halten, doch willigt schließlich ein. Und siehe da, die täglichen Yogaeinheiten haben sich bewährt. Nun stehen wir beide ganz oben und schauen und staunen und fotografieren. Runter geht es nicht wesentlich eleganter als rauf. Diesmal geht Roland vor. Glücklicherweise hat er so lange Beine, dass er den unteren Felsen mit der Fußspitze erreicht, dort landen und mich dann vom oberen Felsen herunterheben kann. Ganz beseelt von dieser Erfahrung und motiviert, machen wir uns an den Abstieg, der sich dann auch als anspruchsvoller entpuppt als angenommen. Aber wir überwinden unbeschadet alle Hürden und beschließen zur Belohnung noch einen Strandspaziergang in Llandudno dranzuhängen. Ah, das eiskalte Salzwasser ist eine Wohltat für die müden Füße. Zurück nachhause geht es wieder bequem per Uber Taxi.

Mit den Uber Taxis machen wir fast ausschließlich gute Erfahrungen. Die Fahrten sind sehr preiswert, die Fahrer – Einmal haben wir sogar eine Fahrerin. – sehr freundlich.
Allerdings gibt es ein Problem mit einer Mautstrecke. Der Chapman‘s Peak Drive ist die kürzeste und schönste Verbindungsstraße zwischen Hout Bay und Nordhoek, da sie direkt an der Küste entlang führt. Um sie zu befahren, muss man aber eine Gebühr von circa drei Euro entrichten. Wir fahren die Strecke insgesamt fünf Mal per Uber Taxi. Da wir uns beim ersten Mal noch nicht auskennen, fragen wir den Fahrer, ob er die Mautgebühren zahlt. Er sagt, er hätte kein Bargeld und bittet uns zu zahlen. Also zahlen wir zusätzlich zum bereits gezahlten Taxitarif die Gebühr an der Mautstelle. Als wir aussteigen, fragt Roland unseren Fahrer, ob er dann auf dem Rückweg nicht bezahlen müsse. Doch, das müsse er. Ich werde stutzig. Wie macht er das ohne Bargeld? Roland hakt später bei Uber nach und erfährt, dass die Mautgebühr im Taxitarif inbegriffen ist und bekommt den Betrag anstandslos erstattet. Also gut, nun wissen wir Bescheid und fragen nicht mehr nach. Bei der zweiten Fahrt zahlt unser Fahrer die Gebühr, ohne zu zögern. Bei der dritten Fahrt behauptet der Fahrer wieder, er hätte kein Geld und bittet uns zu zahlen. Wir zahlen, da Uber den Betrag ja anstandslos erstattet. Wie sich herausstellt, nur einmal. Diesmal erhält Roland auf seine Anfrage diesbezüglich die patzige Antwort, wenn er den Betrag zweimal zahle, sei er selbst Schuld. Auch bei der vierten Fahrt diskutieren wir mit dem Fahrer, der dann schließlich widerwillig bezahlt. Der fünfte Fahrer schließlich schlägt vor, einen Umweg über den Berg zu fahren, da die direkte Strecke eine Gebühr koste. Wir erklären ihm, dass die Gebühr bereits bezahlt ist, wir die direkte Strecke nehmen wollen und er das Geld an der Mautstelle für Uber auslegen muss. Er murmelt etwas und fährt die von uns gewünschte Strecke. An der Mautstelle hält er und besteht darauf, dass wir bezahlen, da er kein Geld habe. Nach zehnminütiger Diskussion verspricht er immerhin, direkt nach der Fahrt eine Nachricht an Uber zu schicken mit der Bitte uns den Betrag zu erstatten, was dann auch klappt.
Der Fall gibt uns sehr zu denken. Roland ärgert sich maßlos über die Unehrlichkeit der Fahrer. Ich denke, dass die Fahrer sehr schlecht von ihrem Arbeitgeber behandelt werden und vielleicht tatsächlich bisweilen ihrerseits die Mautgebühren nicht erstattet bekommen. Das zumindest behauptete der letzte Uberfahrer. Dass die Arbeitsbedingungen für die Fahrer mehr als schlecht sind, haben viele unserer Fahrer durchblicken lassen. Aber klar, gibt die ungerechte Behandlung, die jemand erfährt, ihm das Recht, seinerseits andere zu betrügen?

Damit wären wir beim nächsten eher unschönen Erlebnis: Beim Einkauf im hiesigen Supermarkt Woolworth merkt Roland, wie ihm das Handy aus der Hosentasche gezogen wird, als er nach der Milch greift. Als er sich umdreht, sieht er gerade noch, wie eine Frau sein Handy in ein Regal legt und eine andere sich davor stellt, um ihn zu blocken. Doch Roland gibt ihr einen beherzten Schubs, schnappt sein Handy und verfolgt die beiden bis zum Ausgang. Dort gibt er der Security Bescheid und kommt zu mir zurück, die ich schon nach ihm suchend durch die Gänge irre. Als wir draußen am Parkplatz stehen und auf unser Uber Taxi warten, kommt einer der Securityleute völlig verschwitzt zu uns gerannt und berichtet, er hätte die Langfinger bis zu ihrem Fluchtauto verfolgt und das Kennzeichen an die Polizei weitergegeben. Wow, wir sind beeindruckt ob des Einsatzes. Kurze Zeit später kommen noch der Manager des Supermarkts und der Securitychef zu uns. Sie entschuldigen sich vielmals für den Vorfall und fragen, ob wir Anzeige erstatten wollen. Wir verzichten darauf, da uns letztendlich nichts gestohlen wurde. Von nun an sind wir aber vorsichtiger.

Doch schon kommt der nächste Schreck. Plötzlich können wir nicht mehr mit Rolands Kreditkarte zahlen und Roland bekommt eine E-Mail von seiner Bank mit der Aufforderung, anzurufen. Bei dem Telefonat stellt sich heraus, dass jemand eine Kopie von der Kreditkarte angefertigt und mit dieser versucht hat, Bargeld abzuheben und in einem Liquor Shop zu bezahlen. Wir sind fassungslos und können uns nicht erklären, wie das gelungen sein soll, da wir die Karte nie aus der Hand gegeben haben. Die Karte wird also gesperrt. Roland hat zum Glück noch eine zweite dabei und ich habe auch noch eine. Wenige Tage später geht eine Mail von der nächsten Bank ein. Es habe verdächtige Buchungen gegeben, Roland möge die Bank anrufen. Das kann doch nicht sein! Roland muss am Telefon alle Buchungen abgleichen. An einem Tag wurde in vier verschiedenen Läden eingekauft. Das waren wir. Zum Glück! Die Karte wird wieder freigeschaltet. Die Banken sind also offensichtlich sehr wachsam und eventuell sollten wir unser Einkaufsverhalten überdenken.

Mittlerweile ist unsere letzte Woche in Hout Bay angebrochen. Wir holen unseren Mietwagen am Flughafen ab und machen gleich eine ausgedehnte Probefahrt über Kalk Bay, wo wir in der Olympia Bakery köstliche Croissants essen und am malerischen Hafen am Pier entlang spazieren. Weiter geht es zu den Pinguinen am Boulders Beach und zum Mittagessen nach Simon’s Town. Auch hier ist der Blick über den Hafen die Hauptattraktion. Dann verlassen wir die die erwähnten Orte einschließende False Bay wieder und fahren zurück auf „unsere“ Seite nach Scarborough. Hier herrscht ein besonderes Flair. Es wohnen hauptsächlich Hippies und Aussteiger hier. Die meisten Häuser sind sehr geschmackvoll und aus Holz gebaut. Dabei fällt auf, dass es kaum Sicherheitsmauern, -zäune, oder -gitter gibt, wie in den meisten anderen Orten. Auf den Schildern, auf denen sonst auf die Bewachung durch ein Security Unternehmen hingewiesen wird, steht hier, dass die Nachbarn wachsam seien. Bekannt ist hier vor allem das Camel Rock Café, ein bodenständiges Lokal mit kulinarischen Thementagen und Livemusik. Wir lassen uns zu einem Carrot Cake hinreißen, der uns dermaßen sättigt, dass wir anschließend so lange durch den Ort laufen müssen, dass es sich am Ende lohnt, bis zum Sonnenuntergang zu bleiben. Diesen kann man hier besonders gut am wildromantischen Strand beobachten.
Die letzten Tage vergehen wie im Flug mit einem Ausflug zum uns schon bekannten Kap der Guten Hoffnung, einer Weinprobe im Weingut Steenberg und einer Fahrt an der Westküste entlang nach Langebaan, wo wir dem West Coast National Park mit einer schönen Lagune eine Stippvisite abstatten.

Das Auto haben wir gemietet, weil wir entschieden haben, einen weiteren Monat im schönen Südafrika zu bleiben. Der Plan ist, in mehreren Stationen über die Gardenroute und die Wildcoast an der Ostküste entlang bis nach Johannesburg zu fahren. Aber davon dann mehr im nächsten Blogbeitrag.
Wir verabschieden uns also aus unserer Oase, die ein kleines Stück Heimat geworden ist, und stürzen uns ins Abenteuer.