„Reisen ist die Sehnsucht nach dem Leben.“
Kurt Tucholsky (1890 – 1935)

Eine Woche in Rio und wir sind schon wieder verzaubert. Die Stadt zieht uns sofort in ihren Bann, ähnlich wie Buenos Aires, aber auf eine ganz andere Art.
In den ersten Tagen bewegen wir uns noch sehr vorsichtig. Von allen Seiten wurden wir gewarnt: Keinen Schmuck tragen, keine Wertsachen dabei haben, nur tagsüber zu Fuß gehen. Wir halten uns an die Vorgaben, fühlen uns aber immer sehr sicher. Unsere Unterkunft liegt im schönen Santa Teresa, einem Künstlerviertel mit steilen und kurvigen Straßen, Treppen, vielen Bars, Restaurants und unzähligen Graffitis an den Hauswänden. Die Stimmung hier erinnert sehr an die in Montmartre in Paris. Wir wohnen ganz oben auf dem Berg, mitten unter Einheimischen mit einer fantastischen Aussicht über Rio. Hier abends auf der Terrasse sitzen, ist herrlich.

Rio, eine riesige Stadt mit unzähligen Vierteln, Hügeln und Bergen und vom Meer umgeben. In der kurzen Zeit, die wir uns für diese Station gegeben haben, konzentrieren wir uns auf die vom Reiseführer empfohlenen Highlights: die Strände Copacabana und Ipanema, die Besteigung des Hügels Urca mit anschließender Seilbahnfahrt zum Zuckerhut und die Besteigung des Corcovado.

Sowohl beim Sonnenbad am Strand, als auch beim Flanieren an der Strandpromenade können wir kaum Unterschiede zwischen der Copacabana und Ipanema feststellen. Das Verhältnis der Strandbesucher und der Strandverkäufer liegt nach Rolands Hochrechnung bei 1:1. Deswegen treibt es uns nach der willkommenen Abkühlung im Meer auch gleich weiter. Stoisch bewältigen wir die jeweils vier Kilometer Strandpromenade bei 30 Grad und erfrischen uns gelegentlich mit einer Coco gelado (Kokoswasser direkt aus der frischen grünen Kokosnuss mit dem Strohhalm geschlürft), die man alle zehn Meter an einer Strandbar erwerben kann. Wirklich angetan sind wir von dem Ausblick auf die Copacabana vom Fort aus. Schade nur, dass die Bucht voller Hochhäuser ist. Aus dem Reiseführer wissen wir, dass es die gehobene Mittelschicht und die Reichen in den siebziger Jahren von Vierteln wie Santa Teresa an den Strand zog. Deshalb wurden dort in Windeseile Hochhäuser gebaut, während die Villen in Santa Teresa teilweise verfielen, teilweise aber auch liebevoll restauriert und zu Kulturzentren umgebaut wurden.
Außerdem begeistert uns das Viertel Leblon mit seiner Gourmetmeile, in der wir in einem französischen Bistro landen und dort ein köstliches Mittagsmenü genießen.

Die Besteigung des Urca und des Corcovado sind unvergessliche Naturerlebnisse. Auf den Urca führen uns Holztreppen durch den Dschungel. Begleitet werden wir von Micos, kleinen putzigen Affen, die man allerdings nicht füttern soll, da es sich um eine eingeschleppte und unerwünschte Tierart handelt. Wir können aber nicht widerstehen und geben einem Äffchen eine Cashewnuss, um es vor die Fotolinse zu locken. Vom Urca auf den Zuckerhut geht es dann nur per Seilbahn. Von dort gibt es einen schönen Ausblick, aber wir stellen wieder einmal fest: durch die vielen Touristen verliert der Ort an Charme. Wieder unten am Meer, umrunden wir den Urca auf einer langen Promenade bei Sonnenuntergang und lassen den Tag im legendären Restaurant Urca bei köstlichem Fischeintopf und Caipirinha an der Kaimauer ausklingen.

Richtig stolz sind wir, nachdem wir den Corcovado bestiegen haben. Es geht über einen wunderschönen Wanderweg mit kleinem Klettersteig durch den Dschungel. Unten am Einstieg werden wir namentlich registriert und müssen eine Telefonnummer für Notfälle angeben. Der Wachmann zeigt uns den Beginn des Weges und macht uns darauf aufmerksam, dass heute keine Polizei auf dem Weg wäre, um Wanderer wie uns vor Überfällen zu schützen, aber es sei schon seit 13 Tagen nichts mehr passiert. Wir schlucken und er wünscht uns viel Glück. Roland bewaffnet sich sofort mit einem dicken Stock und wir erinnern uns an unsere Krav Maga-Lektionen. Lange ist niemand außer uns auf dem Weg. Dann kommen uns dann und wann einige Touristen entgegen, fröhlich und gut gelaunt. Der Weg kommt uns spannend aber kein bisschen gefährlich vor. Besser so. Schließlich stehen wir vor dem vergitterten Eingang des Bergplateaus und müssen Eintritt bezahlen, um die Christusstatue sehen zu können. Zum ersten Mal in Brasilien erleben wir, dass wir nicht mit der Kreditkarte, sondern nur bar zahlen können. Im Himmel gilt halt offensichtlich nur Bares. Nun sind wir endlich direkt unter der großen Statue und legen uns zu den anderen Touristen auf die bereitliegenden Matten, um die beste Perspektive für ein Foto zu erwischen. Das Beste ist allerdings der wirklich atemberaubende Ausblick über Rio und zum Zuckerhut.
Sehr zufrieden mit unserem erfolgreichen Aufstieg wollen wir es uns nun bequem machen und bestellen ein Uber-Taxi, das uns wieder nach unten kutschieren soll. Die Bestellung funktioniert, aber am Ausgang der Plattform erfahren wir dann, dass Uber-Taxis gar nicht oben halten dürfen, sondern frühestens zwei Kilometer weiter unten. Das schaffen wir unmöglich in der vorgegebenen Zeit. Wir müssen das Taxi also sausen lassen und machen uns an den Abstieg. Wieder geht alles gut und unten angekommen, werden wir noch durch eine schöne Sonnenuntergangsstimmung im Parque Lage belohnt und finden noch ein sehr schönes Café, von dem wir noch einmal den Blick von unten auf den eben bestiegenen Corcovado haben.

Und schon ist er da, unser letzter Tag in Rio. Wir haben zwar das Gefühl, die wichtigsten Sehenswürdigkeiten gesehen zu haben, aber wir könnten es noch gut einige Zeit hier aushalten. Auch diesen letzten Tag erleben wir sehr intensiv: Für mich ist er im wahrsten Sinne von einem „einschneidenden“ Erlebnis geprägt, denn ich lasse mir von einem Friseur einen neuen Look verpassen. Währenddessen besichtigt Roland den riesigen Prominenten-Friedhof São João Batista und schießt wieder mal beeindruckende Fotos. Dann treffen wir uns zum Spaziergang durch die Viertel Humaitá und Botafogo und lösen schließlich den Geschenkgutschein unserer lieben Freunde in der Churrascaria Palace ein. Hier gibt es ein riesiges Vorspeisenbüffet mit allem was das Herz begehrt und dann umrunden uns die Kellner pausenlos mit Fisch und Fleisch vom Spieß, Braten und Meeresfrüchten, bis wir nur noch japsend ablehnen können und aus dem Lokal direkt in ein Uber-Taxi und in unsere Unterkunft rollen.

Nun heißt es Abschied nehmen und den nächsten Abenteuern in und um Belo Horizonte entgegensehen.

Unser Lieblingsessen: Meeresfrüchteeintopf mit und ohne Nudeln.
Unser Lieblingsdrink: Coco gelado.

Gelesene Lektüre:
Paulo Lins – Seit der Samba Samba ist.
Eine recht unverblümte Darstellung der Entstehung des Samba im Viertel der Gauner und Prostituierten Estácio in Rio de Janeiro, die interessante Einblicke in die Musikgeschichte Brasiliens und die Kultur der afrobrasilianischen Religion, des Candomblé liefert.
Chico Buarque – Vergossene Milch.
Hier wird die Geschichte Brasiliens von der Kolonialzeit über die Militärdiktatur bis zur Gegenwart durch die Erinnerungen des 100jährigen Eulálio erzählt, wobei dieser ständig zwischen verschiedenen Gedächtnisschichten wechselt, was das Lesevergnügen zu einer Herausforderung macht.

Verwendeter Reiseführer: Stefan Loose – Brasilien. 2017.
Ein durchaus nützlicher Ratgeber.