„Reisen bedeutet, Grenzen zu überschreiten. Auch die eigenen.“
Wanda Rezat

Bei bestem Wetter rollen wir in Picton von der Fähre und fahren durch eine Landschaft, die uns sehr an unser Voralpenland erinnert, wenn da nicht die vielen Schafe und Weinplantagen wären. Unser Tagesziel ist ein sehr überschaubarer, charmanter Campingplatz mit einer resoluten Chefin, die uns persönlich die Anlage zeigt: „The pink door is for the ladies and the green door is for the men.“ Da das Wetter am nächsten Tag noch hält, verlängern wir unseren Aufenthalt um eine Nacht und nutzen den Tag für einen kurzen Spaziergang im Nelson Lakes National Park. Schon gestern sind wir hier in einen der Seen gesprungen und stellen fest: Unsere Camping-Nachbarin hat mit der Sandfliegen-Plage nicht übertrieben. Die Viecher halten sich nicht nur im Sand auf, sondern überall, sind klitzeklein und stechen äußerst hinterhältig. Sich irgendwo im Freien hinzusetzen oder zu -legen, ist leider unmöglich. Wir kehren also zurück zum Campingplatz, setzen uns in die durch Moskitonetze abgesicherte Küche und widmen uns der weiteren Reiseplanung. Wir können einfach nicht aus unserer Haut: Ein bisschen Planen muss sein. Für die nächsten zwei Tage ist wieder mal starker Regen und zu allem Überfluss auch noch ein Zyklon angesagt. Die Aussage der Chefin, es hätte auf der Südinsel wochenlang nicht geregnet, tröstet uns nicht wirklich. Wir beschließen also, am nächsten Tag ein großes Stück in Richtung Süden zu fahren, unserem Camper untreu zu werden und buchen für die nächsten zwei Nächte ein Hostel am Fox-Gletscher. Im Hostel übernachten, ist ja fast wie Campen.
Soweit unser Plan. Die Fahrt wird anstrengend und ungemütlich wegen des strömenden Regens und der heftigen Windböen. Bei der Gelegenheit stellen wir fest, dass die Heizung im Camper nicht funktioniert und fahren in Wolldecken gewickelt weiter. Die viel gelobte Westküste müssen wir leider rechts liegen lassen. In Fox Glacier wartet eine Überraschung: In dem von uns gebuchten Hostel hat man kein Zimmer für uns. Nach einem „Doublecheck“ der Rezeptionistin stellt sich heraus, wir haben für März gebucht, statt für Februar. Tja, auf so einer langen Reise kann man sich schon mal im Monat vertun. Die Mitarbeiter des Hostels sind sehr nett und suchen sofort nach einer Ersatzunterkunft für uns. Leider ist jedoch alles zu erschwinglichen Preisen im Ort ausgebucht. Der Herr, der für uns recherchiert hat, ist untröstlich und sichtlich erleichtert, als wir sagen, dass wir im Camper unterwegs sind: „Oh good, then you are not homeless!“ Er schickt uns zum nächsten Campingplatz. Dort gibt es noch einen Platz für unseren Camper mit Stromanschluss und wir erkennen die Vorteile des Campens im autarken Camper. Der Empfang an der Rezeption ist allerdings genauso eiskalt, wie die Außentemperatur und verkündet Endzeitstimmung. Die Dame informiert uns, ohne die Miene auch nur geringfügig zu verziehen, über die Vorsichtsmaßnahmen, die wir aufgrund der Wettersituation treffen sollten: den Wassertank auffüllen und alle Lebensmittel, die wir noch benötigen könnten, jetzt einkaufen. Es könne sein, dass wir nachts Sirenen hören. Das wäre dann nur die Feuerwehr und kein Grund zur Beunruhigung. Wenn es einen Grund zur Beunruhigung gäbe, würden sie kommen und uns Bescheid geben, was insgesamt nicht wirklich beruhigend klingt. Sämtliche Wanderwege seien im Übrigen geschlossen, die am Gletscher sowieso. Warum sind wir noch einmal hierhergefahren? Am Abend haben wir keine Lust, in der überfüllten Küche bei intervallmäßigem Stromausfall mitzumischen, gehen im Ort in ein Lokal und halten dort Krisensitzung. Unsere angedachte Reiseroute folgt der allgemeinen Rennstrecke, was man an vollen Campingplätzen und steigenden Preisen ganz deutlich merkt. Zudem verfolgt auch das schlechte Wetter diese Route. Also wollen wir die Strategie ändern und wenn möglich dem guten Wetter folgen, statt angepriesenen Sehenswürdigkeiten. Da jedoch das Wetter am nächsten Tag überall in der Umgebung schlecht ist, sitzen wir den Tag in der Hoffnung aus, am nächsten Tag doch noch am Gletscher wandern zu können und ansonsten bei besserem Wetter weiterzufahren.
Wir erhaschen dann immerhin einen Blick auf die Eiszunge auf dem einzigen offenen kurzen walk und fahren dann tatsächlich bei Sonnenschein weiter. Die Westküste erweist sich auch hier im Süden als außerordentlich beeindruckend und nach einigen Stopps und kurzen Spaziergängen kommen wir am Lake Wanaka an, wo wir auf einem wirklich schönen Campingplatz zwei Nächte verbringen. Diesmal ist sogar eine kleine Bergwanderung mit atemberaubenden Ausblicken auf den See und ein netter Ausgang-Abend im Ort Wanaka drin. Wir sind also wieder mit dem Camperleben versöhnt und immer noch auf der Rennstrecke.
Die nächste Station ist Queenstown, eine Kleinstadt am See, die an die Orte am Bodensee erinnert. Besonders reizvoll ist hier der botanische Garten direkt am Seeufer mit einem schönen Rosengarten.
Der nächste Campingplatz ist ein Erlebnis. Jede powered site (Camper-Parkplatz mit Stromanschluss) hat eine eigene Plastikkabine mit Toilette und Dusche. Dafür gibt es sonst keine Aufenthaltsräume, aber viele Tiere: Kühe, Pferde, Alpakas, Kühe, Hühner. Hier kann unser Camper zeigen, was in ihm steckt: Wir werfen unsere eigene Küche an, bauen den Campingtisch auf und sind froh, dass wir vorsichtshalber auch das Innenleben unseres Campers zur Sitzgelegenheit umgebaut haben. Denn, eben, als wir auf das Campen anstoßen und gerade anfangen wollen, zu essen, fallen schon die ersten Tropfen in unsere Gläser und wir müssen in Windeseile umziehen.
Am nächsten Tag geht es im strömenden Regen weiter nach Milford Sound, doch noch weiter auf der Rennstrecke. Heute regnet es überall und für morgen ist bestes Wetter vorausgesagt. Pläne halten hier einfach nicht sehr lange. Dafür hält das Wetter tatsächlich und wir schauen uns den berühmten Milford Sound bei blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein an und sind mäßig begeistert. Ja, der Fjord und die Berge drumherum sehen toll aus, aber die großen Ausflugsschiffe, Flugzeuge, Hubschrauber, Menschenmassen und der große volle Parkplatz stören den Eindruck doch gewaltig. Immerhin gelingen Roland einige gute Fotos und wir ziehen weiter, um noch eine kleine Bergwanderung zum Key Summit anzuschließen, bevor wir das nächste Ziel ansteuern. Es ist ein netter Weg mit schönen Aussichten und oben angekommen werden wir mit einem wirklich reizvollen Spaziergang auf einer Hochebene belohnt.
Nun haben wir es eilig, an die Ostküste nach Oamaru zu kommen, einem ganz beschaulichen viktorianischen Örtchen. Ein Teil des Ortes ist museumsartig hergerichtet und beim Spaziergang durch die Straßen haben wir wirklich das Gefühl, in einer anderen Zeit gelandet zu sein.
Leider sind schon wieder Regentage angesagt und unsere Toleranzgrenze ist erreicht. Wir buchen für drei Tage eine Unterkunft in Christchurch und atmen auf. The Hut ist tatsächlich eine kleine Hütte von circa sechs Quadratmetern mit Außendusche und -toilette, aber gigantischem Ausblick aufs Meer und einer netten kleinen Terrasse mit Grill. Nach drei Wochen im Camper kommt es uns vor wie ein kleines Paradies und wir genießen die Ruhe und die schöne Aussicht.
Dann bleiben uns nur noch drei Tage, um wieder nach Auckland auf der Nordinsel zu fahren und den Camper abzugeben. In diesen drei Tagen zeigt sich Neuseeland noch einmal von seiner besten Seite: schönstes Sommerwetter, atemberaubende Sonnenunter- und -aufgänge und interessante Campingplätze, einer davon mit heißen Thermalpools, in die wir uns hineinsetzen und dem kochenden Fluss, der direkt neben uns fließt und brodelt, zusehen.

Unser Fazit: Unsere (vielleicht zu hohen) Erwartungen an Neuseeland wurden nicht ganz erfüllt. Wir fragen uns, was hier die Highlights waren und müssen überlegen. Wir kommen immer wieder auf die Naturerlebnisse. Aber selbst diese wurden von unseren Eindrücken in den bereits bereisten Ländern teilweise übertroffen. Eine wichtige Erfahrung haben wir allerdings gemacht: Das Camperleben ist nicht unser Ding – Zitat Roland: „Nur bei der Bundeswehr war es schlimmer.“ – und wir freuen uns nun sehr auf unsere feste Unterkunft in Bali.

Unser Lieblingsessen: Das gute und variantenreiche Mittagsangebot in den Cafés „on the road“ oder in den Orten. Roland mag am liebsten das Full Breakfast mit Speck und Eiern und ich den Seafood Chowder, eine Fischsuppe.
Unser Lieblingsdrink: Neben dem Wein, das gute neuseeländische Leitungswasser, das es in allen Cafés gratis gibt und der large cappuccino with cinnamon.

Verwendeter Reiseführer: Tipps der anderen Camper.